Der künstlich erschaffene Regen des Zentrums plätscherte auf dem Boden dahin, pochte auf Stein und Metall. Auf Coruscant hatte der Mensch längst die Natur besiegt und sie sich Untertan gemacht. Riesige Wettermaschinen sorgten für Wolkenbildung, deren Inhalt das Zentrum bewässerte, nachdem der Planet von selbst nicht mehr in der Lage war, Regen hervorzubringen. Ein wundersames Schauspiel, etwas erst zu zerstören, um es anschließend in anderer Weise wieder selbst zu erschaffen. Vielleicht lag am Ende sogar mehr Imperium in der Geschichte Coruscants als er bisher realisiert hatte. Cassio klopfte etwas Asche ab, die in der leichten Windbrise tanzte und hinausgetragen wurde in die windreicheren Höhen des Palastes, an dessen Gemäuer weit über zwei Kilometer Höhe immer wieder das Heulen entfernter Böen erklang. Nur ein kurzer Blick also, das rasche Überprüfen, ob er ein Anooba bereit zum Angriff war oder doch nur etwas ohne besonderes Interesse. Letzteres. Der Blick ins Nichts, in den endlos beflogenen grauen Himmel in der Ferne, die immer gleichen Gebäudespitzen solcher Machwerke, die zumindest noch annähernd auf der Höhe des Palastes waren. Dann ein zierender, wortloser Griff nach seiner Offerte, angenehm, um aus der Kälte heraus zittrige Lippen mit etwas zu fixieren und ihnen Beschäftigung zu geben. Keine Sekunde zu früh, bevor Cassio mit seiner erkühlenden, nun wieder freien Hand sich die Mütze etwas tiefer ins Gesicht zog, um seine Augen mit deren Schirm besser vor dem Regen zu schützen, und sie anschließend wieder unter dem Mantel verschwinden ließ. Wie lange Zen hier wohl schon saß? Dann auch noch ohne Begleitung. Ein unerwartetes Bild, gerade an einem Tag der Festlichkeit, an dem man zumindest das eine oder andere vertraute Gesicht wiedersehen würde. Nun ja, aber vielleicht war es eben auch genau das. Das Wiedersehen von Gesichtern und das Wissen, dass es bei manchen vielleicht das letzte Mal sein würde. Das Grübeln, wie lange es noch so weitergehen würde und wie seltsam deplatziert jede Feier doch in Anbetracht der Situation eigentlich wirkte. Das konnte selbst Menschen von Format unvorbereitet treffen. Und Frauen in der Sternenflotte waren tough. Tougher zumeist als ihre männlichen Gegenstücke. Mussten es sein, wenn sie länger dienten. Nur wer diese Hartnäckigkeit mitbrachte, würde als Frau überhaupt in der Hackordnung nach oben steigen, geschweige denn in die Admiralität. Er hatte hier ein ganz seltenes Exemplar neben sich. Die wenigen Frauen, die das erreichten, hatten einen recht schillernden Ruf, galten zumeist als zeternde, unattraktive Alphatiere – ob zu Recht oder nicht.
Cassio kam nicht umhin zuzugeben, dass ihn ihre Frage überrascht hatte. Zum einen in logischer Hinsicht, denn schließlich kannte Zen ihren Gegenüber nicht oder jedenfalls nicht persönlich. Es schien viel zu irrelevant zu sein, was er zu dieser Frage dachte, schien schlichtweg keinerlei Bedeutung oder besonderes Gewicht für sie haben zu können, was er von etwas hielt. Wen interessierte in dieser Sache schon die Meinung Fremder? Kennenlernen? Ein Abtasten? Für später vielleicht, um herauszufinden, mit welcher Sorte Mensch sie nun bald zu tun haben würde. Das schien zwar zunächst naheliegend, passte aber wenig in das sonstige Bild, das sich hier zeigte. Sie saß hier, abgekapselt, verlassen. Hatte sich für seine Anmerkung, dass sie künftig zusammenarbeiten würde, nicht einmal wirklich interessiert, sondern es nur registriert. Mehr aber auch nicht. Zum anderen überraschte ihn die Frage aus inhaltlicher Sicht. Es war eher eine Seltenheit, dass sich noch fremde Offiziere untereinander solch heikle Themen ansprachen, einfach schon, weil nur schwerlich ausgeschlossen werden konnte, dass einer davon alsbald auf einer Loyalitätsliste der ISB stehen würde. Defätismus war einer der vielen Gründe dafür. Und wer illoyales Gedankengut nicht meldete, galt selbst als illoyal. Daher beschränkten sich kritische Auseinandersetzungen mit dieser Thematik für gewöhnlich auf den privateren Offizierskreis, Menschen, die man also kannte und einschätzen konnte. Was Zen hier tat, war für sie brandgefährlich, und das war ihr zweifellos auch bewusst. Vielleicht wollte sie es sogar so, legte es darauf an? Das verleitete den Admiral zu der Schlussfolgerung, dass hier gerade eine Person saß, die eigentlich dringend reden wollte, aber nicht richtig konnte. Was in merkwürdigem Kontrast zu ihm selbst stand, der von sich sagen würde, dass er reden konnte, aber nicht wollte. Kurz beobachtete er sie aus seiner stehenden Position aus dem Augenwinkel.
„Hm“, machte er zunächst nur, ließ sie lange Sekunden auf eine Fortsetzung seiner Antwort warten, die er innerlich überschlagen musste. Hatte er? Rauchschwaden bildeten sich vor seinem Gesicht, als er ausatmete, lösten sich auf und verflüchtigten sich in der Umgebung. Sein Blick richtete sich auf die besagte Tafel. Ein altes Erinnerungsstück, die Grundprinzipien der Propaganda hatten sich nie wirklich verändert. Immer der Lockruf des Fremden, des Abenteuers. Sei Teil einer eingeschworenen Gemeinschaft. Kämpfe für das Gute. Dinge waren sehr leicht auf einfache Botschaften herunterzubrechen, die im Gehirn viele gewisse Knöpfte drückten und eine merkwürdige Form der Bewunderung und der Sehnsucht auslösten, insbesondere in jungen Menschen. Die romantische Vorstellung von der Erkundung der Weiten des Alls, dort in der Fremde, wo alles so viel schöner und besser schien. Und vom eigenen heldenhaften Sieg über die Mächte des Bösen. Wer sah sich schon selbst als das Böse an? Nicht einmal den Rebellen konnte er dies unterstellen. Sie waren vielleicht fehlgeleitet und ihre Methoden, die gesamte Galaxis in einen großen Krieg endlosen Ausmaßes zu ziehen, waren verachtenswert. Aber auch dort waren es zweifellos keine finsteren Gestalte in dunklen Kammern, die sich über das Chaos freuten, das sie der Galaxis gebracht hatten, sondern es eher zur Erreichung ihrer politischen Ziele als notwendiges Übel betrachteten. Das machte es aus der Sicht eines Feindes nicht besser, aber es steckte nun einmal im Wesentlichen die gleiche Motivation dahinter wie auch beim Imperium selbst. Der Kampf gegen das Böse. Nur die Definition davon unterschied sich.
„Sicher“, entgegnete Cassio dann, einen Moment lang mit Blick in der Vergangenheit, wobei sich die Selbstverständlichkeit seiner Äußerung mit der langen Wartezeit zu beißen schien. „Jeder, der zum Militär geht, glaubt daran. Oder war es damals bei der jungen Daro Zen etwa anders?“
Fast eine rhetorische Frage. Und eine Antwort, die gleichermaßen gezielt offen ließ, wie und ob Cassio zu dieser Art der Floskeln heute stand. Sicherlich mochte sein Betragen und die Wartezeit aber Spielraum für Interpretationen bieten und das Stöbern in der Vergangenheit schien nahezulegen, dass es eben genau das sein konnte. Vergangenheit. Deren blumiges Ideal inzwischen längst von der Realität gefressen und verdaut worden war, nun aber noch irgendwo im Inneren des Körpers ruhte.
Und vermutlich explodierte dieser Körper irgendwann auf einem Raumschiff im Weltraum. Doch Zen mochte irren, wenn sie glaubte, dass der Großteil derer mit der Bereitschaft zu sterben gedient hatte. Die meisten waren nie dazu bereit gewesen. Wann war jemand schon bereit zu sterben, mitten im wehrfähigen Alter, jung, voller Träume? Nein, die meisten waren mit der absoluten Überzeugtheit gestorben, dass es sie nicht treffen würde, sondern es immer der andere sein würde. Bis man selbst dieser andere für jemanden war. Aber spielte es überhaupt eine Rolle, wie viele es waren? Sie alle waren Herren ihrer Entscheidung gewesen. Niemand hatte sie gezwungen. Boni, ja. Versprechen, ja. Doch kein einziger imperialer Bürger war je zum Dienst an der Waffe gezwungen worden. Jeder kannte die Risiken, hatte sie für sich abgewogen, sie akzeptiert. Was darüber hinaus passierte, war weitgehend eine Sache von Zufall, von Glück und Pech, ob derjenige gerade am richtigen oder am falschen Ort diente. So war es eben. Menschen starben. Ein Krieg war ohne Verlust von Menschenleben schlechterdings nicht zu führen. Es ging nur darum, ihn zu minimieren, damit das Ziel erreicht werden konnte. Um schließlich das Endziel zu erreichen, nämlich endlich diesen Krieg zu beenden. Und dafür war sehr viel recht und billig, denn nichts verschlang mehr Leben als der Krieg selbst. Je mehr also dafür bereit waren zu sterben, desto weniger würden es am Ende auch wirklich tun.
„Offensichtlich sind es nicht genug, die dazu bereit sind“, entgegnete er ihr nach einer kürzeren Weile dann ohne hörbares Bedauern in der Stimme, was dem Ganzen eine fast schon zynische Note gab, die man nun auf die eine oder andere Art auslegen konnte. Wären es genug, die dazu bereit waren, liefe der Krieg nicht so, wie er es gerade tat. Ob Cassio damit entweder lediglich das Offensichtliche feststellte oder damit eine Kritik an der Führung oder gar eine weit darüber hinausgehende Kritik an diesem Faktum äußerte, der auch nahelegen konnte, dass der Admiral ihn in einer unausweichlichen Niederlage interpretierte, schien zweifelhaft. Doch Cassio würde nicht den Fehler machen, seine persönliche Meinung allzu deutlich herauszustellen. Ihm war bewusst, dass er vermutlich unter Beobachtung stand, nachdem er als Stabschef abberufen worden war, weil man davon ausgehen würde, dass er deswegen frustriert war. Was auch durchaus zutraf. Oder vielleicht war dieses Bewusstsein auch nur bloße Paranoia. Jedenfalls aber hatte Cassio durch seine Tätigkeit Zugang zu wertvollen Militärgeheimnissen gehabt, von denen das Imperium zweifelsohne nicht wollte, dass sie in irgendeiner Form nach außen drangen. Vermutlich war es auch deshalb logisch, dass er nun nahe am Äußeren Rand landen würde. Und sicherlich gab es auf seinem neuen Flaggschiff mehr als genug Undercoveragenten, die nur darauf warteten, dass Cassio irgendetwas tat, das man als Preisgabe dieser Dinge auslegen konnte. So funktionierte dieser Staat nun einmal.
„Und ich bin mir meines Rufs bei diesen Leuten sehr wohl bewusst“, fuhr er schließlich fort, fast als wollte er einer naheliegenden und vielleicht bereits häufig ihm gegenüber vorgebrachten Erwiderung ihrerseits den Wind aus den Segeln nehmen. Cassio war bei der Truppe nie beliebt gewesen, galt als der Schreibtischtäter, der er eben auch war, und als zu wenig empathisch für die Frontsoldaten. Manche sprachen ihm daher das Recht oder die Kompetenz ab, sich zu ihnen zu äußern. Stabsdienst war im Imperium nicht allzu hoch angesehen, galt als wenig prestigereich. Aus Cassios Sicht hatte das Imperium dagegen geradezu einen Fetisch für den hohen Frontoffizier entwickelt, der seine Männer aufopferungsvoll von vorne in die Schlacht führte. General Veers galt schon dadurch als das leuchtendste Beispiel des Offizierskorps. Dienst am Schreibtisch brachte eben keinen Ruhm mit sich wie es Heldentaten großer Offiziere an der Front konnten, die in die Ruhmeshallen imperialer Geschichtsschreibung eingehen sollten. Oder eben als die größten Kriegsverbrecher.
„Aber wissen Sie, wer jeden Tag hunderttausende Gefallene über seinen Schreibtisch wandern sieht, dessen Perspektive auf die Dinge verändert sich“, malte er an den grauen Himmel ein Bild, von dem sich viele Kritiker nie die Mühe gemacht hatten, es einmal aus der Nähe zu betrachten und zu verstehen, warum es eben so sein musste, wie es war. Und dass am Ende jeder seine bestimmte Verwendung hatte und sie auch ausfüllte.
„Jeder spielt eben seine Rolle.“
Es war beinahe eine Frage. Und manche taten eben genau das. Eine Rolle spielen. Welche auch immer. Seine Augen glitten hinab zu ihr, betrachteten sie einen Moment zu lange, um es als bloßen Zufall oder als Willkür anzusehen, sondern so, dass sie es bemerken musste.
„Mehr oder weniger gut.“
Cassio kam nicht umhin zuzugeben, dass ihn ihre Frage überrascht hatte. Zum einen in logischer Hinsicht, denn schließlich kannte Zen ihren Gegenüber nicht oder jedenfalls nicht persönlich. Es schien viel zu irrelevant zu sein, was er zu dieser Frage dachte, schien schlichtweg keinerlei Bedeutung oder besonderes Gewicht für sie haben zu können, was er von etwas hielt. Wen interessierte in dieser Sache schon die Meinung Fremder? Kennenlernen? Ein Abtasten? Für später vielleicht, um herauszufinden, mit welcher Sorte Mensch sie nun bald zu tun haben würde. Das schien zwar zunächst naheliegend, passte aber wenig in das sonstige Bild, das sich hier zeigte. Sie saß hier, abgekapselt, verlassen. Hatte sich für seine Anmerkung, dass sie künftig zusammenarbeiten würde, nicht einmal wirklich interessiert, sondern es nur registriert. Mehr aber auch nicht. Zum anderen überraschte ihn die Frage aus inhaltlicher Sicht. Es war eher eine Seltenheit, dass sich noch fremde Offiziere untereinander solch heikle Themen ansprachen, einfach schon, weil nur schwerlich ausgeschlossen werden konnte, dass einer davon alsbald auf einer Loyalitätsliste der ISB stehen würde. Defätismus war einer der vielen Gründe dafür. Und wer illoyales Gedankengut nicht meldete, galt selbst als illoyal. Daher beschränkten sich kritische Auseinandersetzungen mit dieser Thematik für gewöhnlich auf den privateren Offizierskreis, Menschen, die man also kannte und einschätzen konnte. Was Zen hier tat, war für sie brandgefährlich, und das war ihr zweifellos auch bewusst. Vielleicht wollte sie es sogar so, legte es darauf an? Das verleitete den Admiral zu der Schlussfolgerung, dass hier gerade eine Person saß, die eigentlich dringend reden wollte, aber nicht richtig konnte. Was in merkwürdigem Kontrast zu ihm selbst stand, der von sich sagen würde, dass er reden konnte, aber nicht wollte. Kurz beobachtete er sie aus seiner stehenden Position aus dem Augenwinkel.
„Hm“, machte er zunächst nur, ließ sie lange Sekunden auf eine Fortsetzung seiner Antwort warten, die er innerlich überschlagen musste. Hatte er? Rauchschwaden bildeten sich vor seinem Gesicht, als er ausatmete, lösten sich auf und verflüchtigten sich in der Umgebung. Sein Blick richtete sich auf die besagte Tafel. Ein altes Erinnerungsstück, die Grundprinzipien der Propaganda hatten sich nie wirklich verändert. Immer der Lockruf des Fremden, des Abenteuers. Sei Teil einer eingeschworenen Gemeinschaft. Kämpfe für das Gute. Dinge waren sehr leicht auf einfache Botschaften herunterzubrechen, die im Gehirn viele gewisse Knöpfte drückten und eine merkwürdige Form der Bewunderung und der Sehnsucht auslösten, insbesondere in jungen Menschen. Die romantische Vorstellung von der Erkundung der Weiten des Alls, dort in der Fremde, wo alles so viel schöner und besser schien. Und vom eigenen heldenhaften Sieg über die Mächte des Bösen. Wer sah sich schon selbst als das Böse an? Nicht einmal den Rebellen konnte er dies unterstellen. Sie waren vielleicht fehlgeleitet und ihre Methoden, die gesamte Galaxis in einen großen Krieg endlosen Ausmaßes zu ziehen, waren verachtenswert. Aber auch dort waren es zweifellos keine finsteren Gestalte in dunklen Kammern, die sich über das Chaos freuten, das sie der Galaxis gebracht hatten, sondern es eher zur Erreichung ihrer politischen Ziele als notwendiges Übel betrachteten. Das machte es aus der Sicht eines Feindes nicht besser, aber es steckte nun einmal im Wesentlichen die gleiche Motivation dahinter wie auch beim Imperium selbst. Der Kampf gegen das Böse. Nur die Definition davon unterschied sich.
„Sicher“, entgegnete Cassio dann, einen Moment lang mit Blick in der Vergangenheit, wobei sich die Selbstverständlichkeit seiner Äußerung mit der langen Wartezeit zu beißen schien. „Jeder, der zum Militär geht, glaubt daran. Oder war es damals bei der jungen Daro Zen etwa anders?“
Fast eine rhetorische Frage. Und eine Antwort, die gleichermaßen gezielt offen ließ, wie und ob Cassio zu dieser Art der Floskeln heute stand. Sicherlich mochte sein Betragen und die Wartezeit aber Spielraum für Interpretationen bieten und das Stöbern in der Vergangenheit schien nahezulegen, dass es eben genau das sein konnte. Vergangenheit. Deren blumiges Ideal inzwischen längst von der Realität gefressen und verdaut worden war, nun aber noch irgendwo im Inneren des Körpers ruhte.
Und vermutlich explodierte dieser Körper irgendwann auf einem Raumschiff im Weltraum. Doch Zen mochte irren, wenn sie glaubte, dass der Großteil derer mit der Bereitschaft zu sterben gedient hatte. Die meisten waren nie dazu bereit gewesen. Wann war jemand schon bereit zu sterben, mitten im wehrfähigen Alter, jung, voller Träume? Nein, die meisten waren mit der absoluten Überzeugtheit gestorben, dass es sie nicht treffen würde, sondern es immer der andere sein würde. Bis man selbst dieser andere für jemanden war. Aber spielte es überhaupt eine Rolle, wie viele es waren? Sie alle waren Herren ihrer Entscheidung gewesen. Niemand hatte sie gezwungen. Boni, ja. Versprechen, ja. Doch kein einziger imperialer Bürger war je zum Dienst an der Waffe gezwungen worden. Jeder kannte die Risiken, hatte sie für sich abgewogen, sie akzeptiert. Was darüber hinaus passierte, war weitgehend eine Sache von Zufall, von Glück und Pech, ob derjenige gerade am richtigen oder am falschen Ort diente. So war es eben. Menschen starben. Ein Krieg war ohne Verlust von Menschenleben schlechterdings nicht zu führen. Es ging nur darum, ihn zu minimieren, damit das Ziel erreicht werden konnte. Um schließlich das Endziel zu erreichen, nämlich endlich diesen Krieg zu beenden. Und dafür war sehr viel recht und billig, denn nichts verschlang mehr Leben als der Krieg selbst. Je mehr also dafür bereit waren zu sterben, desto weniger würden es am Ende auch wirklich tun.
„Offensichtlich sind es nicht genug, die dazu bereit sind“, entgegnete er ihr nach einer kürzeren Weile dann ohne hörbares Bedauern in der Stimme, was dem Ganzen eine fast schon zynische Note gab, die man nun auf die eine oder andere Art auslegen konnte. Wären es genug, die dazu bereit waren, liefe der Krieg nicht so, wie er es gerade tat. Ob Cassio damit entweder lediglich das Offensichtliche feststellte oder damit eine Kritik an der Führung oder gar eine weit darüber hinausgehende Kritik an diesem Faktum äußerte, der auch nahelegen konnte, dass der Admiral ihn in einer unausweichlichen Niederlage interpretierte, schien zweifelhaft. Doch Cassio würde nicht den Fehler machen, seine persönliche Meinung allzu deutlich herauszustellen. Ihm war bewusst, dass er vermutlich unter Beobachtung stand, nachdem er als Stabschef abberufen worden war, weil man davon ausgehen würde, dass er deswegen frustriert war. Was auch durchaus zutraf. Oder vielleicht war dieses Bewusstsein auch nur bloße Paranoia. Jedenfalls aber hatte Cassio durch seine Tätigkeit Zugang zu wertvollen Militärgeheimnissen gehabt, von denen das Imperium zweifelsohne nicht wollte, dass sie in irgendeiner Form nach außen drangen. Vermutlich war es auch deshalb logisch, dass er nun nahe am Äußeren Rand landen würde. Und sicherlich gab es auf seinem neuen Flaggschiff mehr als genug Undercoveragenten, die nur darauf warteten, dass Cassio irgendetwas tat, das man als Preisgabe dieser Dinge auslegen konnte. So funktionierte dieser Staat nun einmal.
„Und ich bin mir meines Rufs bei diesen Leuten sehr wohl bewusst“, fuhr er schließlich fort, fast als wollte er einer naheliegenden und vielleicht bereits häufig ihm gegenüber vorgebrachten Erwiderung ihrerseits den Wind aus den Segeln nehmen. Cassio war bei der Truppe nie beliebt gewesen, galt als der Schreibtischtäter, der er eben auch war, und als zu wenig empathisch für die Frontsoldaten. Manche sprachen ihm daher das Recht oder die Kompetenz ab, sich zu ihnen zu äußern. Stabsdienst war im Imperium nicht allzu hoch angesehen, galt als wenig prestigereich. Aus Cassios Sicht hatte das Imperium dagegen geradezu einen Fetisch für den hohen Frontoffizier entwickelt, der seine Männer aufopferungsvoll von vorne in die Schlacht führte. General Veers galt schon dadurch als das leuchtendste Beispiel des Offizierskorps. Dienst am Schreibtisch brachte eben keinen Ruhm mit sich wie es Heldentaten großer Offiziere an der Front konnten, die in die Ruhmeshallen imperialer Geschichtsschreibung eingehen sollten. Oder eben als die größten Kriegsverbrecher.
„Aber wissen Sie, wer jeden Tag hunderttausende Gefallene über seinen Schreibtisch wandern sieht, dessen Perspektive auf die Dinge verändert sich“, malte er an den grauen Himmel ein Bild, von dem sich viele Kritiker nie die Mühe gemacht hatten, es einmal aus der Nähe zu betrachten und zu verstehen, warum es eben so sein musste, wie es war. Und dass am Ende jeder seine bestimmte Verwendung hatte und sie auch ausfüllte.
„Jeder spielt eben seine Rolle.“
Es war beinahe eine Frage. Und manche taten eben genau das. Eine Rolle spielen. Welche auch immer. Seine Augen glitten hinab zu ihr, betrachteten sie einen Moment zu lange, um es als bloßen Zufall oder als Willkür anzusehen, sondern so, dass sie es bemerken musste.
„Mehr oder weniger gut.“