#16
Ein neuer Anfang. Nein, viel mehr als das. Mytria fühlte sich nach diesem Kontakt mit der dunklen Seite mächtig, nicht weil sie ihr erlegen war, sondern weil sie widerstanden hatte. Es war kein Gefühl von Übermacht, von Allmacht oder Unbändigkeit, sondern von tiefer Gewissheit, dass es Hoffnung gab. Jeder konnte umkehren. Wenn sie umkehren konnte, hätte es auch Lee gekonnt. Es machte seinen Verlust zwar umso trauriger aber gebar auch ein tiefes Verständnis, dass in der Macht Hoffnung lag. Solange es Leben gab, gab es Hoffnung, dass nicht der Tod herrschte, sondern das Leben. Es gab Licht. Licht war überall, solange man fest daran glaubte. "Ich habe...," wollte sie ihrem Koryn antworten, doch verlor den Satz wieder. Ihr Geist war noch zu unstet, zu wild und zu wirr um klaren Linien zu folgen. Sie fühlte immer noch die Macht, wie sie pulsierte aber die Macht umlagerte nicht mehr ihren Geist, sondern legte sanften Schwing um ihren Körper. Sie wurde beschützt, bewacht von einer Wärme und Zuversicht aus dem Herzen des Ursprungs. Endlich fand sie eine Antwort für den aufgeregten Koryn. Endlich konnte sie die Gedanken sortieren.

"Nein, ich werde darauf achten und auf die Macht vertrauen,"
sagte sie und lächelte dann hingebungsvoll zum Keldor. Während sie diese Worte sprach, presste sie ihren einzigen Vertrauten fest an sich, so dass ihm die langen Haare ins Gesicht fielen, da sie wild aufgewirbelt worden waren. Noch bevor der Keldor seinen Blick zum toten Lee Valen abschließen konnte. Nein, er sollte andere Dinge sehen; und Hoffnung finden. Er machte sich Sorgen, fühlte mit ihr und war hier. Mytria wollte ihm ehrlich danken, wollte für ihn da sein, damit er sich nicht mehr so fühlte, wie er sich gerade fühlte. Die Umarmung verweilte einen Moment, bis sie ihm wieder Raum gab. Die stürmische Wesensart war prägend für ihren Charakter. Mytria fühlte und handelte. Nicht immer zum Wohlgefallen aber niemals aus böser Absicht. In ihr reifte gerade eine wichtige neue Eigenschaft: Empathie. Die junge Frau lernte die wichtigste Jedi-Eigenschaft, die man erwerben musste, um überhaupt das Licht als Schild verwenden zu können: Mitgefühl. Sie fühlte als Lebewesen mit Koryn. Mytria teilte seinen Schmerz, seine Sorgen und seine Aufregung, war verbunden mit ihm und wollte ihm helfen. Hilfe war das Fundament des Ordens. Man half sich; man half sich durch schwere Zeiten und auch durch tägliche Aufgaben. Wo Dion gerade Kälte zeigte, zeigte Mytria Wärme. Wo Dion eine Hinrichtung vollzogen hatte, war Mytria gefallen und fühlte. Sicherlich waren ihre Gefühle roh und ungezügelt auch gefährlich aber sie hatte das Fundament einer Jedi gefunden. Hingabe zu allem Leben war der Kontrast zu den mordenden Sith. Mitgefühl war die wahre Waffe eines Jedi gegen die Grausamkeit der dunklen Seite. Die dunkle Seite war Tod und die helle Seite war Leben. Mytria lebte aufrichtig und ihr Herzschlag pochte fest. "Es gibt uns Jedi," meinte sie. Ja, es gab sie alle noch. Es bestand Hoffnung. Eine echte Chance, dass diese Galaxis geheilt wurde. Nun verstand sie, dass auch die Galaxis umkehren konnte. Sie hatte vom Krieg gelesen, mit Soldaten gesprochen und die Nachrichten verfolgt. Dieser Krieg würde enden. Das Imperium konnte nicht gewinnen. Nur das Wesen der Sith verstand sie noch nicht aber wenn Lee aufgebrochen war, um sich den Sith zu stellen und so zurückgekehrt war, waren sie mehr als gefährlich. Der junge Windgeist Mytria wollte Koryn ein Gefühl begreifbar machen, was sie gerade fühlte. Doch scheiterte an den begrenzten Worten. Sie fühlte sich als neue Jedi.

Koryn berührte ihren Arm schwach, erhob sich dann und richtete sich zur vollen Größe auf. Er löste seine Augenmasken vom Gesicht, was Mytria aus ihrer immer noch abgesetzten Position beobachten musste. Die Frau wollte einschreiten, da sie wusste, dass er die Maske brauchte; alles von ihr. Koryn weinte und die Tränen lösten sich nun. Mytria sah dies, sprang auf und eilte zu ihm, um ihm Kraft zu geben, die er brauchte. Als er sich umwandte, stand sie direkt neben ihm. Was war dieses Gefühl, welches sie in Koryn sah? Was war dort? Mytria zweifelte kurz, doch wollte bei ihrem Freund bleiben. So legte sie ihm fürsorgliche eine Hand auf die Schulter. Er sollte wissen, dass er nicht mehr allein war. Niemals mehr allein sein würde. Meister Skywalker trat zu ihnen heran und streckte seine Hände in einer einladenden Geste aus. Mytria blickte den Jedi-Meister mit stiller Miene an. Ihre Haare waren zerwühlt, hingen in wilden Strähnen herab und ihre großen Augen wandten sich ab, gegen den Boden, so als ob sie sich entschuldigen wollte. Ihre Lippen lagen wortlos zusammen und ihre Wangen zitterten leicht. Sie hatte Luke enttäuscht, das wusste sie. Immer war sie geflohen, wollte nicht hören und hatte ihren Dickkopf gelebt. Endlich verstand sie und wollte sich entschuldigen, doch der Moment erschien ihr unpassend. Nach einer Sekunde erhob Mytria wieder den Blick, während Luke seine Einladung mit Worten untermauerte. Mytria Shanlo nickte und antwortete mit melodischer aber brüchiger Stimme: "Ja." Zuversichtlich griff sie Koryns Hand, nachdem er seine Augenmasken wieder eingesetzt hatte, und würde ihm folgen, damit er nicht mehr alleine gehen musste. Beide waren sie hier gemeinsam in dieser furchtbaren Situation angekommen und beide würden sie auch gemeinsam verarbeiten. Ihre feine Hand umschloss die seine Hand vorsichtig aber fest.
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