#22
Mytria wollte dem Meister folgen, doch scheiterte, denn ihr fehlte schlicht ein Verständnis für die Macht. Sie wollte Antworten und diese wollte sie schnell erhalten. Luke wich aus, erklärte und versuchte ihnen verständlich zu machen, was ein Jedi sein sollte und welchen Betrachtungswinkel er als Jedi einnahm. Er versuchte zu vermitteln, was Mytria in diesem Augenblick seltsam fremd vorkam. "Und warum zeigt die Galaxis uns kein Mitgefühl? Ist die Macht gnädig?" - wollte sie laut wissen und bedrängte Luke Skywalker mit dieser Frage ein wenig, da sie ihren Kopf dabei weit vorstreckte, um die Worte mit Unverständnis zu untermauern. "Meister, ihr erklärt vieles, versucht uns etwas verständlich zu machen, was doch eine sehr persönliche Erfahrung ist," wollte sie sich für die dreiste Frage entschuldigen und tappste mit ihrer stürmischen Art in eine erneute Falle. "Und mit der Luft hat das überhaupt nichts zutun! Natürlich kann die Luft für Koryn gefährlich sein aber Lee hat uns angegriffen, aktiv gehandelt und wollte uns töten. Die Luft hat keinen Willen. Sie ist ohne Bewusstsein," meinte sie halblaut und beugte sich dann wieder zurück, um erneut zu Koryn zu flüchten, dessen Nähe sie als Stützte empfand. Die junge Frau suchte Nähe, indem sie sich erneut an seine Schulter lehnte. "Ihr widersprecht euch, Meister. Einerseits sagt ihr, dass Lee sich aus eigenen Motiven entschieden hat und andererseits sagt ihr, dass die dunkle Seite Schwachstellen angreift und nur einen Weg aufzeigt, also konnte er sich nicht entscheiden. Eine Entscheidung braucht immer zwei Alternativen; eine Möglichkeit zur Wahl. Hatte Lee etwa keine Wahl?" Mytria wollte mehr wissen, da sie einfach nicht verstand, was Luke ihr vermitteln wollte. Die Macht erschien erneut undurchdringlich für die junge Frau, die ihr ganzes Leben um Mitgefühl und Aufmerksamkeit kämpfen musste. Niemand hatte sie je aus freien Stücken beachtet. Immer hatte sie für etwas Beachtung kämpfen müssen. Nun wollte Luke ihr vermitteln, dass ein Jedi schlicht hinnehmen musste, auch wenn er Emotionen hatte. Ja, sie hatte Emotionen und war nicht gewillt diese aufzugeben. Zwar verlangte Luke dies nicht und versuchte diese sogar zu erklären, somit auch in den Kontext dieses Vorfalles einzuornden aber Mytria wollte es schlicht nicht begreifen, da sie jung und verbohrt, wie sie war, nur ihre Betrachtungsweise kannte. Die Macht zeigte sich ihr anders, mal stürmischer und wilder, als Luke sie beschrieb. Die dunkle Seite war für sie nicht nur eine Wahl, sondern eine ernste Gefahr, die jederzeit einen Geist in Besitz nehmen konnte.

"Leben ist doch bedeutungslos, wenn ich darüber nachdenke, dass Lee einfach aus eigenen Motiven willkürlich gemordet hat. Die Macht hat es zugelassen, wenn sie Leben schätzt, warum tut sie das dann? Warum tun wir uns solche Grausamkeiten an? Wo ist der Sinn, Meister?" Mytria dachte nach, verrannte sich in ihren eigenen Erfahrungen, die sie mehr geprägt hatten, als sie je zugegeben hatte. Zurücksetzungen, Ausgrenzung und seelische Gewalt hatten Spuren hinterlassen. "Wir verleiten uns doch selbst und erst die Entscheidung über die Dinge, ob sie gut oder böse sind, macht sie doch dazu, oder irre mich da?" Die angehende Jedi kniff beide Augen zusammen, um Luke eindringlich zu betrachten, bevor sie diese wieder sanft öffnete. "Die Betrachtung legt den Wert fest," meinte sie nüchtern, hob sogar dezent ihre Hand an und untermalte diese Aussage mit einer kreisenden Bewegung ihrer zierlichen Hand. Sie konnte nicht wissen, wie nah sie mit dieser Meinung an einer These eines bösen Dämons war, der weitab von hier herrschte. "Ihr erklärt vieles, wollt uns aufklären über den Wert des Lebens und entschuldigt etwas, was keiner Entschuldigung bedarf," sagte sie ernst und doch lag Melancholie in ihren Augen. Die Augen wurden glasig, während sich Tränenflüssigkeit in den Augenwinkeln sammelte. Es tat ihr selbst weh, so hart zu sein aber sie wollte nicht wieder in diese Emotionen fallen, die sie einst hatte.

Sie verweigerte sich der Melancholie und doch erlag sie wenige Momente später dieser Tragik, dass Leben vollkommen willkürlich war. Es gab keinen Sinn oder Zweck in einem Leben, außer dem selbst geschaffenen Sinn. Einst hatte sie dies erfahren. Damals war sie verraten worden, nicht aus Bösartigkeit, sondern schlicht aus Ignoranz. Nur wenige Seelen nahmen Rücksicht. Nur wenige wollten wirklich heilen und helfen, denn die meisten richteten sich in ihren bequemen Lebenswelten ein. Man hatte sie geschlagen, getreten und ausgelacht; warum hatte man das getan? Aus schlichter Bequemlichkeit. Es hatte jemand damit begonnen und die anderen haben es übernommen. Kinder können sehr grausam sein, sagte man ihr später und doch hatte sie nie vergessen. Wenn bereits Kinder so etwas tun konnte, ohne ein großes Bewertungsschema zu besitzen, dann konnten es auch Erwachsene und das Bewertungsschema war nur eine Illusion. Es war eine Betrachtung, eine Einzelmeinung, die auch nur ein Kapitel in einem Selbstbetrug war. Die dunkle Seite wollte Mytria stehlen.

Still stieg sie an, während die unsichtbaren schwarzen Wogen in die Macht drangen und ihre Aura immer weiter verdunkelten. Ihre Mimik erfor in dieser Erinnerung, denn Lee hatte ihr erneut bewiesen, dass es kein Gut oder Böse gab, sondern nur Handlung. Eine Entscheidung einer Einzelperson, die auch andere betreffen konnte. Die Galaxis war willkürlich und dies schmerzte sie. Denn Mytria wünschte sich so sehr, dass es anders war. Sie wollte die Galaxis anders machen und fürchtete, dass dies niemals gelingen würde. "Ihr habt Recht, dass die Macht nichts ist, was als Begründung dienen kann und doch...," wollte sie formulieren und brach dann ab. Ihre Stimme hatte sie verlassen als die Augen die Tränen nicht mehr halten konnten. Die dunkle Seite wollte sie schützen und ihr Kraft geben, denn sie war einfach zu erschließen. Die dunkle Seite trat auf und ließ den Frost ins Herz. Dieser kalte Schmerz kroch in die Knochen und verband sich mit den Gedanken der sehnsüchtigen Mytria. Die Melodie des Abgesangs hallte wieder und Luke konnte das Leid in ihren Augen sehen, die sich trüb färbten und die Tränen sangen das Lied vom Leid. Ab diesem Zeitpunkt konnte sie nicht mehr folgen. Die Frau weinte schluchzend und versuchte die Tränen unter beiden Händen zu vergraben. Sie versteckte ihr Leid mühsam mit beiden Händen, die sie fest ins Gesicht drückte, damit niemand sah, wie schwach sie war. Mytria fühlte sich verloren, denn der Gedankengang und die Erklärung von Luke trafen sie an dem Ort, wo sie verwundbar war. Sie trauerte um etwas, was sie verloren glaubte. Sie trauerte aufrichtig und weinte mit jedem Herzschlag, den sie in Melancholie verbracht hatte. Die Maske des stürmischen und frechen Mädchens brach ein. Es brach alles ein, was sie darstellen wollte und sie trat den alten Ängsten wieder bei. Es gab keinen Grund die Ängste wieder auszuschließen. Es gab nichts, was sie hinderte, einfach in diese Trauer zu fallen.

"Es gibt nichts," wollte sie abwehren, wollte sie vermeiden, dass jemand nachfragte und doch ahnte sie bereits, dass Luke nachfragen würde. Sie hatte die restlichen Ausführungen versäumt in der Serenade ihrer eigenen Gedanken. Es war schwierig. Zu schwierig für sie aus der dunklen Seite auszubrechen, die nicht nur Zorn, sondern auch Pein war. Die dunkle Seite umgarnte sie mit einer einfachen Antwort, dass sie alles war, was je sein würde. Sie musste sich nur hingeben und würde erlöst werden. Mytria wollte ausbrechen. Jetzt endlich. Es gelang ihr, während sie die Hände vom Gesicht nahm, sich wieder enger an Koryn kuschelte, um etwas Vertrauen zu finden. Nicht noch ein Verrat. Nein, sie würden niemanden verraten. Nicht heute. Die Tränen fielen weiterhin aus ihren Augen, spiegelten sich im Sturz im Grün des Bodens. Die Augen gewannen dennoch wieder an Farbe und die Mimik war nicht mehr eingefroren. Die dunkle Seite mit ihrem kalten Frost wich wieder zurück, als sie die letzten Worte von Luke vernahm. "Es gibt immer nur eine Entscheidung," antwortete sie Luke auf seine letzte Ausage, ob er sie Mitgefühl oder die Wahl des einfachen Weges lehren würde. "Es gab immer nur eine Entscheidung," sagte sie mit gebrochener Stimme, die noch um Kraft rang. Dieser Ort erfüllte sie zwar immer noch aber hatte an Glanz verloren. Der Wind, der aufkam, trocknete ihre Tränen mit vorsichtiger Macht. Es tat ihr gut, diesen zu spüren, während er ihre Haare herumwehte. Kurz schloss sie Augen, um den Wind willkommen zu heißen. Etwas wollte sie Zuversicht wissen lassen. Etwas war hier, um für alle Gnade zu zeigen. Es war etwas Göttliches im Wind, der mit einer alten Magie wirkte und die Sorgen fast hinfort trug. Mytria hörte auf ihn, wie er vorbei rauschte und sanft über die Haut fuhr. SIe holte tief Luft und ließ ab von der Angst. Schließlich sprach Koryn. Die Frau wandte ihm ihr Gesicht zu, strich sich mit einer Hand eine Strähne, die der Wind ins Gesicht gespielt hatte, aus dem Sichtbereich und hörte ihm zu. "Eine gute Frage," entgegnete sie unterstützend auf Koryns Frage. Auch sie interessierte, ob es möglich war, dass selbst in dieser Grausamkeit etwas Hoffnung lag. Hoffnung war alles im Leben. Auch Mytria hoffte, dass es etwas Besseres als dieses Leben gab. Vielleicht sogar auf eine gnadenvolle Macht. Ihr Herz schlug mit einem Satz langsamer, während sie Koryn betrachtete, denn er gab ihr Sicherheit, auch wenn er selbst unsicher wirkte.
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