#24
Koryn verschlug es bei Mytrias trotzigen Worten glatt die Sprache. Vorerst kam nur ein überraschter Laut als verzerrtes Rauschen aus seiner Maske, das aber in der feurigen Tirade der Jedi-Anwärterin unterging. Fassungslos starrte er sie an. Leben war ganz sicher nicht bedeutungslos! Es gab so viel zu lernen, zu sehen und gemeinsam zu erreichen. Doch es würde auch immer Personen geben, die falsche und eigennützige Entscheidungen auf Kosten anderer trafen. Auch das gehörte zum Leben dazu, so sehr Koryn es bedauerte. Wenn dem nicht so wäre, bräuchten sie keine Begriffe wie ‚richtig‘ oder ‚falsch‘.
Gerade noch hatte der Kel Dor geglaubt, den heftigen Wechsel ihrer Emotionen begreifen und akzeptieren zu können – aber da hatte er sich wohl geirrt. Nun wuchs ein heftiger Widerwille in dem Machtbegabten. Wenn Mytria nicht lernte, ihre Gefühle im Zaum zu halten, wie sollte sie da erst die Kontrolle über ihre Machtfähigkeiten erlangen?

„Du kannst nicht die Macht für alles verantwortlich machen“, platzte es schließlich aus ihm heraus, nachdem Luke bereits begonnen hatte, auf ihre Worte einzugehen. „Jeder muss für seine Taten selbst die Verantwortung übernehmen. Die Macht wirkt durch Wesen wie uns und spricht zu uns. Aber ich würde nie behaupten, dass sie für mich entscheidet! Dazu beherrsche—“ Er brach ab und schüttelte den Kopf. Das war nicht, was er sagen wollte. „Dazu kann ich sie noch viel zu wenig verwenden und verstehen. Ich kann mit ihr meine Körperkraft und Ausdauer verbessern, doch ansonsten gerade einmal einen Stein anheben. Bevor ich dich traf, hatte ich auch erst einmal eine Vision! Zumindest glaube ich, dass es eine war.“
Er blickte zu Luke Skywalker. Teils versichernd, da der Traum die Ankunft des Jedi-Meisters angekündigt hatte. Teils beschämt, weil er sich selbst wieder zu einem Gefühlsausbruch hatte hinreißen lassen. Genau das, was er Mytria gerade vorgeworfen hatte. „Aber vorhin im Seenland hat die Macht uns gewarnt, dass etwas passieren würde. Passiert ist. Vielleicht war es nicht mehr rechtzeitig, aber was… was hätten wir schon tun können?“ Es kostete ihn unglaublich viel Überwindung, sich dies einzugestehen und er klang dabei sehr niedergeschlagen. „Vielleicht wurden andere auch gewarnt. Vielleicht haben sie die Botschaft besser verstanden als wir – und anders entschieden.“

Koryn fühlte sich von den Worten des älteren Jedi sehr angesprochen. Doch es hinterließ kein gutes, aufbauendes Gefühl wie sonst. Der schnelle Weg… Der Jedi-Schüler war oft mit seinen Fortschritten ungeduldig, auch wenn er die Schuld daran allein sich selbst gab. Trotzdem würde er nie auf die Dunkle Seite fallen und dadurch andere leiden lassen! Es widersprach allem, das er sich unter dem Bild eines Jedi-Ritters vorstellte. Sein Bestientrick war noch zu rau, zu grob, zu eindringlich. Koryn hatte dies verstanden und obwohl es ihm noch nicht gelang, auf sanftere Weise mit den Shaaks Kontakt aufzunehmen, wusste er, wann er abbrechen musste. Das musste doch genug sein, um einschätzen zu können, wann er der Dunklen Seite zu nahe kam und sich davon zu lösen. Oder nicht?
Mit einem nun enttäuschten Laut zog der Kel Dor eines seiner Knie an, stützte den Arm darauf und senkte den Kopf. Seine Gedanken fühlten sich mehr und mehr wie ein Wasserbecken an, dessen Inhalt man aufgewühlt hatte und der nun in ungleichmäßigen Wellen gegen den Rand schwappte. Es würde Zeit brauchen, bis die Wellen sich wieder gelegt hatten. Meditation – so schwer sie ihm fiel – wäre hier sicher angebracht. Oder ein ausgiebiges Training, um seinen Körper zu fordern und seinem Geist durch Erschöpfung Ruhe zu gönnen.
„Aber für ihn hoffe ich, dass er gefunden hat, nach was er gesucht hatte.“ Konnte das denn wirklich etwas Gutes bedeuten, wenn das Ende von Lee Valens Suche ihn auf diese Weise ins Praxeum zurückgebracht hatte? Vielleicht war er enttäuscht worden – oder er hatte den Sturz auf die Dunkle Seite als einzigen Ausweg gesehen. So oder so war es die falsche Entscheidung gewesen. Der schnelle Weg. Doch eine weitere Antwort würden sie wohl nie erhalten. Koryn würde sich die Erinnerung an diesen schrecklichen Tag zu Herzen nehmen. Offensichtlich konnte selbst ein Jedi-Ritter seine eigene Moral in Zweifel ziehen und fallen. Alles verraten, für das er einst gestanden hatte. Niemals, schwor sich der Kel Dor und ballte die Hand zur Faust. Niemals werde ich meine eigene Gemeinschaft verraten oder ihr Schaden zufügen! Obwohl die Nachtluft noch nicht wirklich kalt war und seine dicke Haut ihn vor der Kälte schützte, fröstelte er. Niemals!
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