Der Wind rauschte, drückte auf die Ohren. Die Luft schien gefühlt schwerer, während Daro Zen antwortete. Kritik - traf den Alten immer. Er war es nicht mehr gewöhnt, dass man ihm widersprach. Immerhin war er über Jahrzehnte eine Instanz in der Flotte gewesen, eine Person, der man uneingeschränkt vertraute und nun widersprach ausgerechnet eine Frau ihm. Eine Frau - eine Tatsache, die schwer wog, denn man rechnte Frauen doch eine gewisse Empathie zu? Vaash war in dieser Hinsicht ganzer Chauvinist der alten Militärschule, auch wenn er Frauen den Militärdienst nicht ganz absprach. Die Denke blieb und die Klischees mit ihnen. Ob sie Recht haben mochte oder nicht, dies spielte für den Starrsinn des Alten keine Rolle. Er hatte seine festgefahrene Meinung, die zu Teilen wohl menschlich war aber ebenso selbstgerecht, wie die meisten Menschen in Machtpositionen eben waren. Macht korrumpierte immer, auf die eine oder andere Art. Macht ermöglichte Dinge. Diese Möglichkeiten fraßen die Seele auf, nicht unbedingt die eigentlichen Entscheidungen. Vaash konnte nicht direkt antworten. Die Kanonen der Daro Zen hatten gesessen. Die Breitseite hatte getroffen. Jämmerlich war auch seine Reaktion oder besser seine Nicht-Antwort. Nur der Blick in den Abgrund blieb ihm. In diesen verdammten Abgrund dieses Großstadt-Molochs, welcher Abermilliarden Lebewesen beherbergte und wohl trauriges Symbol für die Betongesellschaft des Imperiums war. Das Imperium war nicht beweglich, sondern fest und fixiert. Es war dieser kalte Kuss von Beton, sterilem Glas und kratziger Luft, der den Offizier wohl doch antworten ließ: "Wir alle sind jämmerlich. Soldaten opfern immer etwas, auch sie. Ich habe meine Entscheidungen nie leicht getroffen und lasse mir hier nicht meinen Schneid abkaufen." Ja, dies war auch ein Krieg gegen sich selbst. Ein Krieg um Ehre. Ehre - ein Wort, was Vaash brauchte, wie die Luft zu atmen und doch hatte er diese in diesem Augenblick verloren. Nicht im Kampf, nicht am Schreibtisch, sondern durch diese ehrliche Kritik einer Frau. Einer Frau, die ihn nicht kannte. Nur seine Entscheidungen. Sie zeigte ihm, was er eigentlich war und doch konnte er nicht einbrechen, nicht eingestehen, auch wenn er gewollt hatte. Ein Eingeständis wäre die finale Niederlage gewesen, der Sturz in die Tiefe, die ihn bereits gepackt hatte. "Sie haben mir nicht zugehört," war die Erklärung des Mannes, der in die Tasche zu seinem Kommunikator griff. "Niemand hat Optionen. Wir alle sind Puppen in diesem Spiel. Ihr Widerspruch ist der Wunsch nach Eigenständigkeit, der Wunsch nach Selbstbestimmung. In dem sie mich brüskieren, brüskieren sie nur sich selbst. Sie sind Soldat. Sie haben sich für ein Leben in Gefolgschaft entschieden. Sie haben sich diesem Staat angeschlossen," donnerte Vaash, während er mit seinem Hover-Stuhl einen Schritt zurückfuhr, mit dem Holo-Kom auf dem Schoß. "Optionen haben sie garantiert keine mehr. Außer Verrat, Untergang oder Sieg. So oder so, sie bleiben das, was ich bin. Ein Soldat. Im Zweifel sogar mit der Erkenntnis, dass sie nicht allein existieren können. Sie können probieren vor der Verantwortung des Momentes zu fliehen aber irgendwann kommt der Tag, wo das Schicksal sie fordert. Ich spreche nicht für sie, das tun allein sie selbst und ich sehe, dass sie feige sind und sich in vermeindliche Optionen flüchten," drückte der Veteran unmissverständlich aus, gar zynisch. "Ich werde mich nun entfernen und sie mit ihren Optionen alleine lassen, allein in ihrer Isolation." Der alte Mann presste den Wippschalter seines Gefährtes fest durch und sauste zurück in den Palast, aus dem er vor wenigen Momenten gekommen war. Während der rauschenden Fahrt hob er das Pad mit der Linken an, aktivierte es und las eine schreckliche Nachricht. "Oh Nein...," entfuhr seinem Mund mit wenig Kraft. Er war wieder in Dienst gesetzt und ihm wurde sogar ein neuer Sternzerstörer zugewiesen, frisch ab Werk: die Veneratio II. Zudem wurde er unter das Sonderkommando des Geheimdienstes gestellt, was nichts Gutes hieß. Der Moment wurde nicht besser. Ein düsteres, fast weltfremdes Lachen entfuhr dem Offizier. "Wie stellen die sich das vor? Ich bin im Hoverstuhl...," dachte sich der Flottenadmiral und gab sich dem Abgrund völlig hin, in den er nicht gesprungen war, dem er aber folgte, wie ein treuer Schoßhund. Verloren war jede Mühe, jedes Ansinnen auf Frieden, der Krieg griff erneut nach ihm und dieses mal auf eine Art, die Vaash verabscheute. Geheimdienstangelegenheiten waren nie gut, nie ehrenhaft und auch nie moralisch. Fernab rückte seine Hoffnung auf Pension. Es war vorbei.