#31
“Möchten Sie eine Tasse Kaf?“
Die fremde Stimme riss Hanaar aus seinen Gedanken, er blinzelte kurz und schaute einige Wimpernschläge verdutzt in Richtung der Sekretärin, schließlich hatte sein Verstand die profane Frage verarbeitet und er nickte zustimmend: “Mit etwas Jhen-Honig, wenn Sie haben. Ansonsten schwarz, bitte.“ Die Frau verschwand in einem Nebenraum, der Hanaar bisher nicht aufgefallen war. Einige Minuten später erschien sie mit einem kleinen Tablett, auf dem auffallend liebevoll eine Tasse Kaf angerichtet stand. Daneben lag ein kleines Gebäckstück, da der Löffel fehlte, schien es keinen Jhen-Honig zu geben. Der Admiral nahm die Tasse vorsichtig entgegen, ließ das Gebäckstück aber auf dem Tablett liegen, er machte sich nichts daraus. Genüsslich trank er einen Schluck und musste feststellen, dass der Kaf vorzüglich schmeckte. Mit der Tasse am Mund blinzelte er der Frau zustimmend entgegen, wunderte sich dann aber, dass sie nicht zurück an ihren Platz ging. Im Gegenteil, sie blieb stehen und schaute nervös zwischen Hanaar und der Tür hin und her, so als würde sie jeden Moment ein Kommando des Geheimdienstes erwarten, welches ihr einen schwarzen Sack über den Kopf stülpt, um sie dann aus dem Raum zu ziehen. Einen kurzen Augenblick huschte ein absurder Gedanke durch den Kopf des Admirals und vor seinem geistigen Auge sah er sich im Todeskampf verkrampft auf dem Boden liegen, neben sich der verschüttete Rest des vergifteten Getränks, das hysterische Lachen der Frau im Hintergrund. Der Gedanke verschwand wieder ohne Spuren zu hinterlassen und so trank Hanaar einen weiteren Schluck und stellte die Tasse dann neben sich auf einen kleinen Beistelltisch.
“Kann ich etwas für Sie tun?“, fragte er höflich. “Nun ja, vielleicht...“, druckste die Sekretärin; scheinbar lag ihr etwas auf dem Herzen und nun fasste sie den Mut – oder versuchte es zumindest – dies dem Admiral mitzuteilen. Dieser wiederholte seine Frage, diesmal aber gesellte sich ein leicht genervter Unterton dazu. Die Frau warf einen letzten Blick zur Tür, atmete dann tief ein und platze schließlich mit der Antwort heraus. “ Mein Name ist Tanera Pencron.“ Sie ließ die Worte einige Augenblicke wirken und erwartete offensichtlich eine Reaktion von Hanaar, dieser blickte sie aber nur fragend an. “Ja? Sehr erfreut“, antwortete er etwas irritiert, was der Dame nicht unbedingt Sicherheit verschaffte, trotzdem ließ sie sich nur kurz aus dem Konzept bringen und sprach dann unverblümt weiter. “Mein Bruder Zuros Pencron diente unter Ihrem Kommando an Bord der Dominator.“ Nun endlich konnte Hanaar den Namen zuordnen, wie immer merkte er sich vor allem die Namen der Schiffe, weniger die der Personen, aber dadurch konnte er trotzdem den Zusammenhang feststellen und bemerkte augenblicklich, was für eine unangenehme Situation dies werden könnte. Er war kein Diplomat und schon gar nicht gut darin, das Gemüt einer Ehefrau – oder was auch immer diese Dame war – eines gefallenen Offiziers zu beruhigen. Zwar war es eine seiner Aufgaben, die Mitteilungen über die Verluste zumindest höherrangiger Offiziere an die Familienmitglieder zu schreiben, doch für ihn war dies immer mehr eine persönliche Bilanz, weniger eine emotionale Notwendigkeit. Hanaar überlegte, wie er nun darauf reagieren konnte und entschied sich für eine hohle Phrase. “Ja, ich erinnere mich...“, log er, “...ein tapferer Offizier.“. Die Antwort schien aber Wirkung zu zeigen, denn die Frau entspannte sich etwas. Hanaar schaute sie an, sie war zierlich gebaut, nicht sonderlich hübsch, aber auch keinesfalls hässlich. Eine unscheinbare Person mit kurzen dunklen Haaren und braunen traurigen Augen. Die schmalen Lippen verzogen sich zu einem angedeuteten Lächeln. Sie trug keine Uniform – der typische Fall einer Angehörigen, die aus „Dankbarkeit“, aber auch aus Sicherheitsgründen im Dienste des Imperiums blieb; mit genug Arbeit, um nicht auf falsche Gedanken zu kommen, aber in einer Position, die kein allzu großes Risiko oder gar größere Verantwortung mit sich brachte.
“Vielen Dank“, antwortete sie in einem sanften Tonfall, der bei Hanaar für Gänsehaut sorgte, “Er war mein Bruder. Ich dachte... als Sie hier aufgetaucht sind und weil Sie mir ja damals persönlich die Nachricht über meinen Verlust übermittelt haben... also... vielleicht könnten Sie mir sagen, wie er gestorben ist?“ Die aufrichtige Bitte, so naiv sie auch war, sorgte bei Hanaar für ein unbekanntes Gefühl, es war wie eine warme Flut, die sein Innerstes durchlief, einen kurzen Augenblick lang hatte er das Bedürfnis aufzustehen und die Frau schützend, aber auch tröstend in den Arm zu nehmen. Das Gefühl wich aber schnell wieder der kühlen Berechnung eines Admirals, der alles im Leben als eine Art Kampf empfand und stets bemüht war, mit taktischem Denken die für ihn vorteilhaftesten Optionen zu evaluieren. Vorsichtig taktierte er und nahm der doch sehr emotionalen Situation etwas von ihrer Schärfe, indem er die Frau direkt ansprach: “Offengestanden, Tanera, gibt es da nicht viel zu berichten.“ Er trank den letzten Schluck aus seiner Tasse und stellte sie dann behutsam ab, während er weitersprach. “Ihr Bruder hat tapfer gekämpft und starb bei der Erfüllung seiner Pflicht im Dienste einer höheren Sache. Sein Tod leitete unseren Sieg ein.“ Hanaar hielt es für klüger, die Tatsache zu verschweigen, dass er die Dominator seinerzeit opferte, um mit dem Rest seiner Flotte entkommen zu können. “Halten Sie sein Andenken mit Stolz in Ehren.“.
Letztlich, so musste Hanaar nüchtern feststellen, waren seine Worte nichts weiter als leere Hülsen, die man auch auf jeden anderen Offizier anwenden konnte, nichts weiter als eine Floskel und eigentlich auch kein großer Unterschied zu dem, was er sonst den Angehörigen als Nachricht sendete. Trotzdem schienen die Worte Tanera zu beruhigen, sie nickte und kämpfte augenscheinlich mit den Tränen, doch sie schaffte es, sie zu unterdrücken. “Vielen Dank“, presste sie leise hervor, nahm dann die leere Tasse und verschwand damit im Nebenraum, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Genau in dem Moment tauchte Flottenadmiral Vaash auf und rauschte an Hanaar vorbei mit der knappen Aufforderung, ihm zu folgen. Er wirkte gestresst und Hanaar fragte sich, ob dies mit ihm in Zusammenhang stand oder purer Zufall war. Der Admiral stand auf und nahm seine Tasche, kurz warf er einen Blick zu dem Nebenraum und sah, wie Tanera wieder auftauchte. Sie lächelte ihm kurz zu, er nickte freundlich und begleitete Vaash dann in sein Büro. Ohne weitere Verzögerung oder etwas zu sagen folgte er der Aufforderung sich zu setzen, er lehnte seine Tasche neben sich an den Stuhl, nahm seine Mütze ab und suchte eine adäquate Möglichkeit sie abzulegen, als er keine fand, legte er sie auf die Tasche und machte es sich im Stuhl bequem.
“Ich grüße Sie, Admiral, freut mich, Sie wieder gesund zu sehen.“, bemerkte er mit ernsthafter Höflichkeit. Gute Offiziere waren immer nützlich und trotz völlig unterschiedlicher Vorgehensweisen und gelegentlicher Differenzen gehört Vaash, laut Meinung von Hanaar, ganz ohne Zweifel dazu. Die Tür schloss sich hinter den beiden Männern und augenblicklich wich der ungewohnt emotionale Zustand, der aus dem Gespräch mit Tanera resultierte, dem gewohnt sachlichen und kühlen militärischen Miteinander.
“In der Tat“, bemerkte Hanaar zustimmend, als Vaash ihm erklärte, dass es „Dinge zu besprechen gab“. Er blickte dem Flottenadmiral in die Augen und erwartete mit Spannung das, was nun folgen würde.
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