#11
Das Gespräch mit Moff Corno ging eine Weile seinen zu erwartenden Lauf und Cassio beantwortete die Fragen des Mannes, soweit ihm dies möglich war und gleichsam angebracht schien. Sorgen über die militärische Lage waren zweifelsohne angebracht. Dennoch galt es, niemanden in Panik verfallen zu lassen. Zahlreiche Opportunisten warteten nur auf ein solches Zeichen der Schwäche, um ihre Einflussgebiete weiter in der Galaxis auszubreiten. Das reichte von Kaine über Grunger, Zsinj und Teradoc. Um nur ein paar zu nennen. Sobald das Imperium wirklich zu wanken begann, würden diese Kräfte massiven Zulauf erlangen. Nicht zuletzt deswegen konnte das Imperium es sich nur schwerlich erlauben, die Annihilator oder die Whelm zur Sicherung von durch die Republik bedrohten Systemen einzusetzen. Und die dafür vielleicht theoretisch zur Verfügung stehende Intimidator war ärgerlicherweise nun im Koornacht-Sternhaufen Opfer eines Sabotagesakts geworden. Die Reparatur würde seine Zeit andauern. Zeit war jedoch ein Luxus, den das Imperium im Moment eher nicht besaß. Cassio betrachtete die Flottenmarschbefehle aus der Tiefkernreserve vor sich. Neue Schiffe aus der strategischen Reserve mussten an die angeschlagene Südfront verlegt werden. Was für ein Aufwand es bereits war festzustellen, welche Schiffe verlegungsfähig, versorgt und aufmunitioniert waren, damit sie auch voll einsatzbereit an der Front waren, war ein blanker Horror. Oder zumindest wäre er das vielleicht für andere gewesen. Cassio störte die Bürokratie hinter dem Apparat dagegen in keinster Weise. Irgendwann schließlich verabschiedete sich der Moff von Cassio, als jener der Ansicht war, ausreichend informiert worden zu sein, und verließ das Büro zeitnah wieder. So machte sich der Stabschef erneut an seine ursprüngliche Arbeit, jedoch nur für knappe zwanzig Minuten, ehe es erneut an seiner Tür klopfte und daraufhin seine Assistentin eintrat.
„Sir, es gab soeben eine Anfrage aus dem Imperialen Palast“, begann Tasha, während sie sich ein paar Schritte vor dem Tisch aufstellte und die Arme angestrengt hinter dem Rücken übereinander verschränkte. „Man erwünscht Ihre Anwesenheit für eine Unterredung mit künftiger Majestät Pestage. Die Anwesenheit wird – und ich zitiere – unverzüglich erbeten.“
Sichtlich gelangweilt von dieser Information rollte Cassio kurz mit den Augen und stieß einen frustrierten Seufzer aus. „Auch das noch.“
Er wiegelte mit der Hand, in der der Stift ruhte, ab, schüttelte dabei mehrfach den Kopf. Eigentlich hatte er Wichtigeres zu tun als bei Sate Pestage vorstellig zu werden. Die Republik wartete schließlich nicht, bis sie sich vorbereitet hatten. Es gab mehr als genug zu tun, doch ausschlagen konnte er diese Aufforderung zweifellos nicht. Lästige Verpflichtungen, aber unvermeidbar. Die Vorstellung, dass nun wieder Sate Pestage die Herrschaft über das Imperium übernahm, war keine, die Cassio allzu sehr behagte. Ihm mangelte es wohl nicht an Kompetenz, aber an Charisma. Und das war in solch hervorgehobener Stellung ein wichtiges Gut. Doch das Fehlen dessen änderte letztlich nichts an dem Befehlscharakter der Mitteilung.
„Nun gut. Lassen Sie ausrichten, dass ich in dreißig Standardminuten eintreffen werde.“
„Jawohl, Sir.“
Die Frau nickte knapp und für einen Augenblick schien es so, als würde sie sich zum Gehen bereitmachen. Doch wider Erwarten verharrte sie doch an Ort und Stelle, senkte kurz den Kopf, als sie für wenige Sekunden nachdachte.
„Sir? Haben Sie noch einen Moment?“, fragte sie schließlich nach dem kurzen Moment der Ruhe. Der Vizeadmiral hob daraufhin nur für einen schnellen Wimpernschlag den Blick an und betrachtete, wie sie immer noch an seinem Tisch stand, bis er sich vordergründig wieder dem Flimsiplast zuwandte.
„Ja, Leutnant, was gibt es noch?“
„Ich habe gehört, dass die Ärzte Admiral Vaashs Zustand in Besserung sehen. Und er liegt ja hier in der Nähe im Lazarett.“
„Ist mir bekannt“, entgegnete Cassio knapp in die kurze Pause Tashas, während er sorgfältig Buchstaben für Buchstaben auf das Flimsiplast setzte. Letztlich implizierte er mit der Knappheit seiner Aussage, dass sie zum Punkt kommen sollte.
„Nun, ich dachte mir, jemand sollte dem Herrn Admiral einen Besuch abstatten. Sozusagen als kleines Zeichen der Wertschätzung auch aus dem Oberkommando, für den Dienst über Eriadu.“
Cassio war nicht direkt überrascht, denn Tasha und Admiral Vaash kannten einander und er wusste um die Sympathie, die sie für den alten Offizier hegte. Letztlich zuckte er aber lediglich kurz mit den Schultern, ohne dabei aufzusehen. „Dann tun Sie das. Ich kann Sie für den Rest des Tages entbehren.“
Etwas ratlos strich sich der Leutnant als Reaktion mit einer Hand über den Nacken, wobei die hochgesteckten, dunklen Haare der Frau unter der Bewegung wippten. Unruhig wog sie einen Moment lang ihr Gleichgewicht von einem Bein auf das andere. Als sie keine Anstalten machte zu gehen oder anderweitig zu reagieren, hob Cassio seine Augen nach oben an, ohne den Kopf der Bewegung nachfolgen zu lassen. Der Leutnant kaute einen Augenblick an ihrer Unterlippe und schien zu überlegen, wie sie etwas formulieren sollte. Das wiederum erregte das Missfallen des Stabschefs. Militär bedeutete Klartext. Geschliffene Formulierungen bedeuteten Politik.
„Und weiter…?“, fragte er mit hörbar strapazierter Geduld, während seine braunen Augen ohne besonderes Interesse ihre Statur musterten, und setzte sie damit bewusst dem Druck einer rascheren Antwort aus.
„Vielleicht wäre das Zeichen etwas mehr wert, wenn jemand Wichtigeres daran teilnimmt.“
Für einen Moment stockte Cassios Stift in der Hand, als sie das sagte, doch nur ein paar Sekunden. Anschließend breitete sich erneut eine unangenehme Stille aus, als sorge ein Vakuum dafür, dass sämtliche Geräusche in diesem Moment brachlagen, um nicht einmal das elektronische Surren der Computer zu übertragen. Auch wenn es sich letztlich um vielleicht drei oder vier Atemzüge handelte, schienen sich diese doch endlos hinzuziehen, zumal es nicht den Anschein hatte, als würde der Stabschef den Vorschlag in dieser Zeit ernsthaft in Betracht ziehen.
„Sie fragen, obwohl Ihnen bewusst ist, dass Sie damit Ihre und meine Zeit verschwenden, da Sie meine Antwort darauf ohnehin bereits kennen“, stellte er nüchtern fest.
Tasha blinzelte etwas selbstbewusster, dann nickte sie bestätigend. „Korrekt, Sir.“
Schließlich drehte der Vizeadmiral den Stift doch in die Waagrechte, je eine Hand an Stiftkopf und –ende, und lehnte sich fast etwas amüsiert in seinem Stuhl zurück. Hartnäckigkeit war durchaus als eine Art Tugend zu sehen, auch wenn sie im hiesigen Fall keinen Erfolg haben würde. Natürlich konnte und würde er dem Vorschlag nicht nachkommen. Die Geste mochte zwar an sich ratsam sein, insoweit stimmte er ihrem Ansinnen zu. Nichtsdestotrotz würde es zweifellos für wenig hilfreiches Gerede sorgen, wenn der Stabschef nur einen Admiral im Lazarett besuchte, sich aber für die übrigen Soldaten nicht zu kümmern schien. Schon aus diesem Grund erschien es ihm nicht ratsam, hier im Falle von Tiberius Vaash eine Ausnahme zu machen. Auch wenn Cassio die Leistung des Alten innerlich honorierte, konnte er ihn nach seiner Vorstellung nicht anders behandeln als jeden anderen auch. Das mochten andere vielleicht nicht verstehen, doch das war auch gar nicht nötig. Er entließ Tasha schließlich, indem er mit zwei seiner Finger vage in Richtung Tür deutete. Daraufhin verneigte sie sich knapp und verließ Cassios Büro wieder. In Zeiten wie diesen waren zahlreiche Sachzwänge zu beachten – und bereits ein falsches Handeln konnte ein fehlleitendes Signal nach außen senden. Das war nicht immer leicht zu überblicken, doch nur wer das meisterte, würde auf lange Sicht auch an den Schalthebeln sitzen. Und dort auch bleiben.
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