#4
Sie kannte Politik, all die Floskeln, das Gehabe, das Gelächle und doch hatte sie nie ganz den Sinn dahinter begriffen. Denn es durchbrach nicht etwa die Wand aus Eis, die sich jedesmal dazwischen schob, nein, es verhärtete sie sogar noch, machte sie zu programmierten Püppchen, die stoisch ihren Algorithmen folgten. Zumindest beinahe, denn natürlich bemerkte sie es, wenn sie jemand ansah, wie sie jemand ansah. War es ihr unangenehm? Zweifellos, denn stets redete sie sich ein, dass derlei Dinge nicht mit ihrer Arbeit vereinbar waren - unabhängig davon, dass es ohnehin ein Imperialer war, der ihr gegenübersaß, ein Vertreter jenes Staates, gegen die sie nun mehr oder weniger bereits den zweiten Krieg erlebte. Ihre Augen suchten einen Punkt an der Decke der Raumstation, weit entfernt und versteckt in der Schwärze, natürlich nur um seiner... Musterung zu entgehen. Wirklichen helfen tat es allerdings nicht. "Nächstes Mal von oben nach unten.", presste Amber aus ihren Lippen heraus - war das wirklich der Mann, mit dem sie in diplomatischen Belangen verhandeln sollte? Offensichtlich war er das. Oder war sie nur Opfer einer eigenen Überreaktion? Sie kannte Flecken wie diese nur aus dem Holonet, vielleicht gehörte dies nur zu seiner Maskerade, seiner Tarnung um nicht weiter aufzufallen. Aber das war ein ziemlich großes Vielleicht und wichtiger noch, im Grunde sehr unwichtig. Wichtig allein war, dass es sie ablenkte und irgendwo an Dinge erinnerte, für die sie sich sonst weniger Zeit nahm. Aber das musste sie beiseite schieben, es benötigte mehr, weitaus mehr als einiger Komplimente um sie weichzuklopfen und schlussendlich waren sie beide nicht zum Vergnügen hier. Demonstrativ zog sie ihre Jacke vor sich zu und schlug die Beine übereinander, obwohl dieser Ort im Prinzip warm genug war, um auch darauf zu verzichten.

Amber lächelte leicht. Vernünftig. Genau das war es, was sie tat, weshalb sie mit Zsinj verhandelte. Sie folgte der Vernunft und nicht den Traum von Luftschlössern, der republikanischen Ideologie, die so viel verkannte und übersah, so viel kategorisch auschloss aus Angst davor, sich selbst zu verlieren. Aber Demokratie funktionierte nur mit Kompromissen und das würden Mon Mothma, Borsk Fey'lya und die anderen bald begreifen. Ohne Zusammenarbeit konnte ein Krieg vielleicht gewonnen werden, aber kein Frieden geschaffen. "Populismus hat noch niemanden gerettet, Mister Berrik und die richtigen Entscheidungen sind selten die leichten. Wenn meine... Freunde sich überschätzen, soll dafür nicht jeder mit dem Leben bezahlen." Ihre Zähne vergruben sich in der Unterlippe - diese Information war überflüssig, es interessierte nicht, ob sie einen ehrbaren Charakter hatte, ob sie sich um die Menschen sorgte, die bei einem Angriff des Imperiums sterben würden - oder bei einer gescheiterten Offensive der Republik. Und trotzdem war es ihr wichtig. Vielleicht ein wenig Eitelkeit, vielleicht weil sie sich schon immer für ihre Absichten rechtfertigen musste, aber es bedeutete Amber etwas, was andere von ihr hielten, ob sie erkannten, dass sie sie ernst nehmen sollten, dass sie wusste was sie tat. Doch eigentlich... wollte sie auch, dass man sie so akzeptierte, wie sie seit jeher war. Ohne sich zu verstellen, ohne Rechtfertigungen und ohne Schuldzuweisungen. Doch ihr Weg hatte Amber in die Politik geführt, einer verkehrten Welt, in der Lügen eine Tugend waren und sie dennoch versuchte ehrlich zu bleiben - ein strahlendes Leuchtfeuer in einem finsteren Sumpf.

Doch das Geschäft ging weiter und der Imperiale, Alron Berrik, war in eine kühlere Rolle gewachsen, professionell und distanziert und vielleicht war es notwendig, wenn sich zwei alte Feinde gegenübersaßen, wenn sie versuchten, die Angelegenheit mit der angemessenen Sachlichkeit über die Bühne zu bringen. Dennoch war es seltsam, zu ihren republikanischen Gästen, so erinnerte sie sich, war das Verhältnis weitaus entspannter. Man lud sie ein, erfreute sich ein wenig am Smalltalk, trank einen guten Wein und begann erst dann mit dem geschäftlichen Teil. Nun... das Imperium war nie für Flexibilität bekannt und eine Auflockerung zum jetzigen Zeitpunkt würde absurd wirken.
Neugierig beobachtete sie, wie er das Datapad aus seiner Jacke hervorholte und es über den Tisch glitt. Ein Geschenk? Nein, so naiv war sie nicht, Zsinj verschenkte nichts, absolut nichts. Aber konnte sie widerstehen? Nein. Nicht bei einem geheimen imperialen Dokument, nicht jetzt. Sie hob ihren Blick ein wenig und erforschte Berriks Gesicht, als wartete sie auf noch eine Erlaubnis, das Pad zu nehmen, auf irgendetwas, eine Bedingung... Dann lösten sich ihre Hände langsam von ihrer alten Jacke und griffen vorsichtig nach dem Geschenk, bis sie es einschaltete und ihr die Überraschung für einige Sekunden deutlich anzusehen war. Onderon... Vesperum? Der Imperator kehrte zurück? Die tatsächliche Gefahr und nicht etwa Pestage, der sich bereits auf seine Thronbesteigung vorbereitete? Das verkomplizierte die Lage der Republik und es verkürzte ihr Zeitfenster für einen Angriff. Wenn der Imperator wiederkehrte... wenn er zuerst angreifen würde...! Diese Informationen mussten zum Oberkommando, zu Ackbar. Noch konnten sie ihn aufhalten, noch war er angreifbar, verletzlich. Aber... wenn Pestage sich bereits als neuen Imperator sah, wusste das Imperium etwa selbst nicht, dass Vesperum zurückkehrte? Oder bluffte Zsinj hier nur? Eine gezielte Fehlinformation? Das Dokument war zweifelsfrei echt, aber waren es auch die Informationen die es enthielt? Der Geheimdienst würde es prüfen müssen und das in höchster Eile.
"Der ...!" Imperator, entfuhr es ihr beinahe, bevor sie sich die Hand vor den Mund hielt. "Das ist...", Amber wühlte in ihrer eigenen Tasche und hielt ihrem Kontaktmann nun selbst ein Datapad hin. "Nehmen Sie das. Und sagen Sie ihm, was wir in weniger als drei Monaten liefern können und ihm einen großzügigen Rabatt gewähren." Das Datapad enthielt Informationen über ihr jüngstes Serienprodukt, die schnellen Bomberfregatten der Typhoon - Klasse und ein Angebot über eine kleine Flotille, abzüglich eines Rabattes von dreißig Prozent - ein mehr als großzügiges Angebot und dennoch nichts im Vergleich zu dem, was sie in Händen hielt. Amber ließ sich wieder zurückfallen und betrachtete das Datapad noch immer ungläubig, konnte sie noch immer nicht fassen, was darauf zu lesen war. "Wenn diese Informationen stimmen... wissen Sie was das bedeutet? Weiß er was das bedeutet?" Es war die Chance alles zu beenden, Frieden zu schaffen aber es ging nicht ohne ihn, ohne Zsinj, sie brauchten seine Hilfe und sie hatten nicht viel Zeit für diplomatisches Geschwätz. Verstohlen wanderte ihr Blick zu ihren Getränk, als erwartete sie von dem widerwärtigen Gesöff eine adäquate Antwort, doch ihr blieb nur Alron Berrik.
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