#4
Orbit von Terminus, Hauptquartier der FFE

Ishtar Cray schritt nachdenklich im großen Foyer auf und ab, wobei sein Blick sporadisch hinaus in den offenen Raum fiel, dann aber wieder schlagartig zurückwanderte und die große Veränderung in eben jenem Konzern betrachtete, indem er seit nunmehr über zwanzig Jahren arbeitete. Der Direktor der Abteilung zur Entwicklung fortschrittlicher Waffen strich sich nachdenklich über seinen sorgfältig gestutzten Bart und befand den Umschwung des Konzern für gut. Nein, nicht nur gut, im Rahmen und Denken von Kapitalerträgen und Wirtschaftsleistung war es vernünftig und perfekt. Offenbar hatte die junge Ghazalah mittlerweile begriffen, dass es sinnvoller war, den Schrecken eines Krieges auszunutzen um mit ihm Geld zu verdienen, anstatt sich von Ideal und Moral dazu verleiten zu lassen, ihn unbedingt beenden zu wollen. Eine solche Denkweise mochte nicht jedem gefallen, doch schon Kuat Drive Yards hatte bewiesen, dass die kritischen Stimmen des gemeinen Pöbels rigoros ignoriert werden konnten. Die Zeiten konnten kaum besser sein, für aufstrebende und ambitionierte Unternehmer, deren einzige Schwierigkeit darin bestand, mit den Moralaposteln der Neuen Republik zurechtzukommen. Eine vermutlich sehr lästige Angelegenheit, doch letztlich befand sich die Republik in der unterlegenen Position. Abgesehen von diversen veralteten Dreadnaughts steuerten lediglich die Calamari eine nennbare Zahl schwerer Kriegsschiffe bei, die, selbst nach Fehlkonstruktion des Nachfolgers MC80B, in ihrer Bedienbarkeit nicht für alle Spezies standardisiert wurde. Eine gewissermaßen traurige Entwicklung, wo der junge Staat doch so auf Feuerkraft angewiesen ist. So war es nun also, wie es war - des einen Pech wurde zu des anderen Glück und selbst wenn die Republik zögerte, erschlossen sich mit den zahlreichen Abspalterstaaten mehr als genug Absatzmärkte für hochkarätiges Kriegsgerät. Sie befanden sich also in einer sehr bequemen Lage, solange der Krieg nicht hin zu ihrer Haustür getragen wurde oder es zu Unterbrechungen bei der Rohstoffzufuhr kam.
Cray beobachtete, wie die blau-gelbe Markierung und das alte Forerunner-Logo Stück für Stück aus dem Foyer vertrieben und durch dezente Rottöne ersetzt wurde. Ghazalah wollte einen sauberen Abschluss, wohl zum einen um mit Forerunners vorbelasteten Image eines KUS-Konzerns aufzuräumen, als auch zu signalisieren, dass sie sich nunmehr komplett der Produktion und Entwicklung von militärischem Gerät verschrieben hatten.

Und es war erst der Anfang. Stillschweigend und ungesehen an den Augen des republikanischen Rates vorbei, hatten sich Konstruktionsschiffe auf nach Belsavis gemacht, um mit dem Bau neuer und größerer Anlagen zu beginnen. Die Verlegung der Produktion hinaus aus dem unmittelbaren Einflussgebiet der Republik war insofern sinnvoll, dass unpopuläre Maßnahmen zur Beschleunigung der Produktion ergriffen werden konnten, ohne, dass die hiesige Bevölkerung davon Notiz nahm und der Zeitpunkt war ohnehin perfekt gewählt. Mit dem bevorstehenden Angriff auf die imperiale Festung Druckenwell und der Siegeseuphorie von Eriadu im Rücken, dachte ohnehin kaum jemand daran, kritische Fragen zu stellen. Der provisorische Rat hatte Ghazalah anscheinend unterschätzt, vielleicht sogar er selbst. Die junge Frau war geschickt darin geworden, Befugnisse so auszunutzen, dass ein Misserfolg schlimmstenfalls die Republik negativ traf, nicht aber ihr persönliches Unternehmen . Überhaupt war es stets von großem Vorteil wenn der Chef eines Konzerns direkten Zugang zu Regierungskreisen hatte und, wie es nun der Idealfall ist, die Interessen dieses Staates sogar mitzulenken vermochte.
Wilde Gesten eines Technikers, der mit diversen niederen Arbeitern mit der Einrichtung eines Holoemitters beschäftigt war, lenkten den Mann für einen Moment ab. Sie spurten wie fleißige Bienchen, offenbar in ihrer Idealvorstellung gefangen der Galaxis etwas Gutes zu tun und dem Imperium die Klonkriege zu vergelten, doch darum ging es längst nicht mehr, es war mehr zu einer Art Maske geworden, ein zweites Gesicht, welches der Öffentlichkeit präsentiert werden konnte. Insgeheim aber, war Profit zur einzigen Triebfeder dieser Unternehmung geworden, aber sie würden noch ihre Zeit brauchen, bis solche Scharaden überflüssig werden würden. Bis dahin aber, erfüllten sie einen guten Zweck.

Crays Blick verschärfte sich, als das erst wild flackernde Bild sich stabilisierte und den Blick auf ein langsam rotierendes Holo-Plakat ihres neuesten Projektes offenbarte. Er nickte zufrieden. Ein schönes Kriegsschiff, eines, dass diesen Namen auch dem Design nach verdiente, sehr viel anders als die provisorischen Kreuzer der Calamari und deutlich näher an den Kreationen der Kuat Drive Yards. Das modifzierte und überholte Chassis der Venatoren wurde mit zeitgemäßen, schweren Waffen bestückt, um Feinde im direkten Kampf stellen zu können. Die massive und schwere Panzerhülle aus mehrfach gepresstem Durastahl sollte auch schweren Beschuss eine Zeit lang standhalten, selbst wenn die Schilde bereits versagten. Alles in allem sollten schwere Kreuzer der Atlas - Klasse jene Position einnehmen, die das Imperium mit Vindicator oder Victory-Sternenzerstörern besetzte und, sofern sie in der Entwicklung nicht versagt hatten und die Abschlusstzests positiv verliefen, würde eben genau das auch der Fall sein. Ein modernes und relativ flexibles Kampfschiff mittlerer Größe, dass sich vor anderen nicht zu verstecken.
"Dahl...", las Cray laut den neuen Firmenschriftzug, der am Kopfe des Plakats stand. Ja, sie waren eine gute Alternative, solange das Imperium die Oberhand über Kuat und Fondor behielt, was seiner Meinung nach durchaus sehr lange der Fall sein durfte. Wenn nicht, nun... dann benötigte die Sternenflotte demnächst einen neuen Waffenlieferanten. Er wandte sich wieder dem großen Sichtfenster zu und hing selbstzufrieden in seinen Gedanken. Es war tatsächlich perfekt. Solange große Konflikte schwelen konnten, würden ihnen nie die Kunden ausgehen und mit dem Gewinn, stiegen Macht und Einfluss. Alles was sie tun mussten war dafür zu sorgen, dass dieser Kreis nie aufhörte, sich weiter zu drehen.

Mehrere Kilometer voraus, bemerkte Ishtar Cray wie einige Signallichter aufblitzten und sich der Atlas - Prototyp bereitmachte vom Dock auszulaufen. Nach kurzer Verzögerung blitzte auch der Rest der Schiffsbeleuchtung auf und ermöglichten eine komplette Sicht, auf das gut achthundert Meter lange Kampfschiff, zu dessen Flanken sich je zwei der kleinen Typhoon-Fregatten einreiten, um es auf seinem Testflug zu begleiten. Perfekt.
Der Abteilungsleiter wandte sich nach mehreren Minuten stillschweigend ab und passierte das große Foyer, wobei seine Schritte von der Euphorie des Umbruchs beflügelt zu sein schienen. Aber es war nie vorbei, denn so missgestaltet der MC80B auch sein mochte, waren die Calamari doch ein Konkurrent, um den sie sich besser früher als später kümmern sollten und es wurde Zeit jemanden aufzutreiben, der genau das tat. Cray verschwand finster lächelnd in einem Turbolift - wahrlich, ein guter Tag, voller Möglichkeiten.
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