#11
Es war angenehm, der rauen Stimme der Twi'lek zu lauschen. Ihre goldenen Augen wirkten warm und auch wenn sie die Schärfe eines Raubtieres besaßen, fühlte Sosul sich nicht als Beute. Das flaue Gefühl in ihrem Magen musste von Aufregung herrühren. Als Kind hatte sie sich ausgemalt, wie es sein musste, über besondere Kräfte zu verfügen. Jetzt schien es, als habe sich ihr bisheriges Leben auf diesen Moment zubewegt, als folge es einem unsichtbarem Sog. Sosul legte den Kopf schief. Rifta hatte von einem Willen gesprochen, den die übernatürliche Kraft besitzen sollte, die sie als "Macht" bezeichnete. Die Idee, dass dieses Zusammentreffen auf dem Plan einer höheren Entität beruhte, war aufregend und beängstigend zugleich. 'Zumindest', beschloss Sosul mit grimmiger Zufriedenheit, 'ist diese Macht gerecht.' Schließlich fand sie sich in verschiedenen Spezies, so auch in ihrer. Niemand aus ihrer Familie hatte je etwas Unerklärliches vollbracht. Doch musste das nichts bedeuten, schließlich wusste sie bislang ebenfalls nichts von ihrer Begabung. Und Rifta hatte erwähnt, dass manche Familien besonders von der mystischen Kraft gesegnet waren. 'Die alle umgibt und durchdringt..' Ein Lächeln geisterte über ihre Lippen und Sosul zog die rechte Hand unter ihrem Bein hervor, drehte sie hin und her und stellte sich vor, wie sie sie in einem unsichtbaren Kraftfeld bewegte.

Ihre Überlegungen wurden alsbald von drängenderen Fragen überlagert. Zum einen würde es weitaus länger dauern, den Umgang mit besagter Macht zu erlernen, als Sosul gehofft hatte. Zum anderen beabsichtigte Rifta, nicht lange auf Commenor zu verbleiben. Dass ihre Gabe für sie selbst eine Gefahr sein konnte, erschien Sosul beinahe nebensächlich: sie vertraute darauf, dass sie sich auch unbewusst nicht schaden würde. Mehr sorgte sie sich um ihr Umfeld, das bisher jedoch scheinbar sicher gewesen war. Vor allem aber existierte ihre Vorstellung von der Zukunft nicht mehr ohne das Element der Macht - und damit führte ihr Weg sie geradewegs in die Arme der fremden Twi'lek. Wie lange mochte es wirklich dauern, um über dieselben Fähigkeiten wie sie zu verfügen?
Allein durch die Änderung ihrer Mimik fror Rifta die Gedankengänge der Togruta für einen Moment ein. Sosuls Augenbrauenpartie zog sich zusammen, auch wenn ihr gefiel, dass die Frau offen sagte, was sie im Gegenzug erwartete. Wieder wollte jemand von ihr, dass sie tat, was man verlangte. Sosul erinnere sich an Fidar, die gelegentlich von ihrer Lehrzeit erzählte und blickte zugleich gedanklich auf zahllose Auseinandersetzungen mit Ghato zurück. Sosul, kriegst du es vielleicht heute endlich hin - Bis du fertig bist, herrschen auf dieser Planetenhälfte wieder Nacht und Eiseskälte - oder Krieg, wenn er schneller hier ankommt, als du es zum Schiff schaffst, also los! - Erzähl' mir, warum du es 'schon rein logistisch unsinnig' findest während du das erledigst, alles klar?
'..aber das hier ist auch etwas anderes.' Und der Mensch hatte ihr nicht anbieten können, worüber Rifta verfügte. Sosul nickte, auch, um die Frau nicht weiter zu reizen. »Jemand an Bord des Schiffes, mit dem ich mitreise, hat auch eine Ausbildung gemacht.« Fidar ließ kein gutes Haar an ihren Ausbildern. Doch durch sie und ihre Erzählungen wusste Sosul ziemlich genau, wovon Rifta sprach, auch wenn sie damit keine Erfahrung hatte. Auf Shili lernte jeder von jedem etwas, aber in manchen Teilen der Galaxis schien es üblich, dass spezielleres Wissen nur an einzelne Personen weitergegeben wurde. Ein kluges System, wie Sosul fand, denn auch in ihrem Volk gab es bessere Jäger, Waffenkünstler oder Heiler. Nur wenige beherrschten all das gleich gut. »Sie ist Mechanikerin. Auch, wenn sie immer über ihre Ausbilder schimpft wie ein Hutt, dem man die Paddy-Frösche geklaut hat, kann sie nicht abstreiten, dass sie viel gelernt hat. Ich hab' sie gefragt. Und sie ist gut in dem, was sie macht.« erklärte Sosul ihre vage Bereitschaft zu tun, was Rifta verlangte, wenn sie im Gegenzug ebenso gut mit der Macht umzugehen lernte, wie Fidar die Schiffsmechanik in Schach hielt.

Aber ihr Problem bestand in der Zeit, die sie würde erübrigen müssen. Sie kannte die Frau kaum und auch, wenn das Angebot so verlockend klang, konnte Sosul kaum aufspringen und sich mit ihr auf den Weg machen. Sie seufze frustriert. »Wie kann es sein, dass niemand etwas von diesen Leuten weiß? Oder von dem Orden, zu dem Ihr gehört..« machte sie ihrem Unmut, zu so einem ungünstigen Zeitpunkt mit dieser Entscheidung konfrontiert zu sein, mit leisem Protest Luft. Doch ohne auf eine Antwort zu warten, waren ihre Gedanken gleich einem ungestümen Tier weitergestürzt und erhängten sich in derselben Schlinge wie zuvor.
»Wisst Ihr,« begann sie und sprach, als vertraue sie Rifta ein Geheimnis an, während ihre Beine wieder zu schaukeln begannen »ich möchte das gerne. Sehr sogar. Und Ghato und die anderen, mit denen ich reise, sind in letzter Zeit auch.. ziemlich anstrengend. Aber in ein paar Monaten wollte ich wieder zu Hause sein.« Ein Ort, der so weit entfernt war und an den sie vor Kurzem nicht schneller hätte gelangen können. Nun war eine gleichermaßen aussichtsreiche Option daneben getreten. Vielleicht konnte sie Ghato bitten, ihre Familie zu benachrichtigen, wenn er zurückkehrte? 'Kann ich das?' stellte sie ihre eigene Entschlossenheit in Frage.
»Vielleicht kann ich.. später zu Euch kommen, wenn ich weiß, wie ich Euch oder Euren Orden finden kann?« dachte sie laut nach. Auf diese Weise würde sie ihre Familie sehen können, vielleicht herausfinden, ob auch diese die Gabe hatte, die übernatürliche Kraft - die Macht - wahrzunehmen, um dann so bald sie konnte Rifta zu finden. Die Existenz des Ordens blendete sie für den Augenblick aus, es lag ihr wenig daran, die gerade gewonnene Besonderheit zu etwas Alltäglichem verkommen zu lassen, das viele ihr Eigen nannten. Vielleicht würde sie zumindest die Frau mögen, von der Rifta ausgebildet wurde - schließlich lag es nahe, dass sie nicht zu jenen zählte, die Vorbehalte gegenüber nicht-menschlichen Spezies hatte.
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