#4
Stumm paffte Cassio mit seiner Tochter in die wenigen Wolken hinaus, ein paar Minuten lang. Erschreckend friedlich. Mochte das das Leben des Zivilisten innerhalb des Krieges sein? Abgeschottet und behütet, einfach sein Leben leben, zumindest so lange, bis der Krieg möglicherweise irgendwann auch auf dieser Welt eintraf? Schien schwer vorstellbar, an allem unbeteiligt und passiv zu sein, ganz normal morgens arbeiten und abends wieder nach Hause zu gehen, völlig unbeeindruckt von dem Konflikt, der seit Jahren tobte und Menschen und Material verschlang wie noch nie zuvor. In gewisser Weise war es amüsant, dass selbst ein Staat wie das Imperium im Krieg bislang vergleichsweise wenige Auswirkungen auf den gemeinen Bürger hatte – keine Rationierungen, keine Wehrpflicht, kein Arbeitsdienst. Vermutlich auch deshalb herrschte noch relative Ruhe auf den imperialen Welten. Eine Panik im Kern konnte das Imperium nicht verkraften. Und wenn die Kriegslage bekannt war, dann mochte es durchaus zu einer kommen können. Aktuell fiel eben nur der eine oder andere Planet irgendwo weit entfernt, ein abstrakter Name, nach einer geschönten, heldenhaften, für den Feind geradezu lächerlich verlustreichen Abwehrschlacht. Der Tenor der Propaganda war klar: Mit jedem Kampf stumpfte die Spitze der Republik immer weiter ab. Zerschellen würden sie an der Einigkeit des Imperiums im Kern. Cassios Meinung nach war der Kern aber eher ein Rancorkäfig. Wenn dort erste Schwierigkeiten auftauchten, stand jeder für sich allein und sein eigenes Wohlgefallen, man wies sich gegenseitig Schuld zu. Der Kern war nicht homogen, nie gewesen. Das war nun einmal das Problem von Planeten mit großen Egos, auch wenn das Imperium versucht hatte, Loyalitäten von der planetaren auf die galaktische Ebene zu verlagern und Anhänger zu Bürgern des Imperiums und nicht mehr zu Bürgern eines Planeten zu erziehen. So eine Umerziehung gelang aber nicht binnen kurzer Zeit, war aufwendig. Er zweifelte nicht daran, dass der Kern auseinanderfiel und einige Planeten sofort aus dem Verband des Imperiums austreten würden, sobald zwei oder drei Welten in die Hand der Republik fiel. Der Kern war ein Kartenhaus, zusammengehalten vom oberflächlichen Anschein einer Einheit, sofern die Rahmenbedingungen gut und günstig waren. In stürmischen Zeiten hatte es keinen Halt und zerbarst in alle Richtungen. Kuat, die Waffenschmiede des Imperiums, würde nie zulassen, dass ihr Planet für diesen Krieg in Mitleidenschaft gezogen wurde. Corellia wäre froh, wieder selbst sein Schicksal schaffen zu können und von der Fremdherrschaft abzufallen. Und Fondor wurde ohnehin primär von imperialen Besatzungstruppen im Reich gehalten. Tatsache war, keine der drei großen Werften war verlässlich, wenn es zum Äußersten kam. So betrachtet… was war überhaupt noch verlässlich? Eigentlich nur, dass der Krieg näher kam. Zumindest wenn man auf imperialen Welten war.

Irgendwo von vorne am Haus näherte sich ein Speeder. Das mechanische Surren der Triebwerke wurde unhörbar lauter und da der einzige Weg hierher führte, wusste Cassio bereits, was es bedeutete. Er wusste, dass heute der Tag war, an dem man ihn wieder abholen würde. So war es eben. Sein Kampfgeschwader war bereits zusammengezogen worden, wartete an einem Dock in der Nähe von Nessem, vermutlich nur noch ein paar Stunden, ehe es zu den Horchposten an der Grunger-Front aufbrach, um die dortigen Schiffe abzulösen. Eine ruhige Position – eigentlich. Es war bislang zu keinen größeren Kampfhandlungen zwischen ihnen und Großadmiral Grunger gegeben. Doch das war letztlich keine Frage des Ob, sondern des Wann. Grunger war einer der Abspalter, die sich am lautesten zu Wort gemeldet hatten und nicht einfach lautlos verschwunden waren. In gewisser Weise schien ihn das sogar zum einzigen zu machen, der überhaupt noch Interesse am Imperium hatte – wenn auch nicht an dem, was es aktuell war. Das überraschte Cassio alles in allem nicht. Grunger war stets ein Mann des direkten Ansatzes gewesen, eine Welt der klaren Feindbilder. Militär eben. Tatsächlich hatte Cassio ihn auch für gleichsam unpolitisch wie sich selbst gehalten, jedenfalls war das der Eindruck gewesen, den der Mann von sich vermittelt hatte. Offenbar war hinter der Fassade doch mehr gesteckt als es schien, ansonsten wäre der Mann sicherlich trotz der Widrigkeiten weiterhin im Reich verblieben. Gelegenheit schaffte Verräter, wie es aussah. Etwas, das Cassio nachdenklich stimmte. Ungerne zwar, aber nun, so war es eben.

Das Heulen des Speeders ebbte ab, wie erwartet. Irgendwo vorne am Haus. Der Vizeadmiral seufzte, zog an seiner Cigarra und blies den Rauch langsam aus. Neben ihm versuchte Chalya, das Gefährt zu erspähen, doch das Haus versperrte die Sicht.
„Es ist so weit, oder?“, fragte sie, während sie den Stummel über die Klippe ins Wasser fortschnippte.
„Schätze ja.“
Anderer Besuch war nicht zu erwarten. Am Ende konnte nur das Imperium kommen und einfordern, was Seines war. Überraschend fand Cassio indes, dass hier ein Speeder auftauchte. Nicht etwa ein Shuttle, das abseits des Weges in einiger Entfernung landete und mit dem schließlich direkt auch wieder abgeflogen wurde. Nein, es war ein Speeder, der erst wieder umständlich den Weg zurück in die Stadt machen musste, um von dort abzufliegen. Das schien erstaunlich… ineffizient aus der normalerweise so technokratischen Perspektive des Imperiums. Beinah amüsant. Aber er rührte sich nicht. Ein Teil, offenbar ein relevanter Teil schien sich nicht bewegen zu wollen.
„Ich geh schon“, sagte Chalya dann gepresst und wandte sich um. Er nickte bloß knapp, während er ins Nichts blickte. Seine Tochter ging durch das halbhohe, hellblaue Gras um das Haus herum, vorbei an der angebauten Garage in Richtung des Wegs, der zur Eingangstür führte, vor der der Speeder gerade ein paar Meter entfernt zum Stehen kam.
„Wow“, machte sie überrascht, während sie das Gefährt betrachtete. Kein gepanzertes Militärgerät, sondern nur ein ziviler Gleiter – wenn auch ein durchaus bemerkenswertes Modell mit offensichtlich einer Menge Dampf. Nichts, was sie hier in der Nähe wirklich erwartet hätte, sondern eher auf einer Rennstrecke. Mit etwas geweiteten Augen trat sie neben der Garage hervor, während sich gerade die Fahrertür öffnete. Die Person war zwar auch vorher schon im Cockpit zu sehen gewesen, aber auch jetzt schien erst klarer zu sein, dass es sich hier scheinbar um keine Soldatin handelte, sondern um eine Zivilistin – Bluse und Rock sprachen hier eine eindeutige Sprache. Es wäre im Imperium äußerst undenkbar, eine Zivilistin einen Offizier abholen zu lassen, daher blinzelte Chalya nur kurz und ging dann auf die Frau zu. Offensichtlich war es also nicht der erwartete Besuch, sondern jemand anderes.
„Gibt's Probleme?“, fragte Chalya daher zwar höflich, aber etwas leger. Widerwillig löste sich ihr Blick von dem Fahrzeug, hin zur Fahrerin. Eine blonde Frau mittleren Alters, gut gekleidet, allerdings offenkundig keine Anaxsi, soweit man hiervon ausgehen konnte. Auch die zögernden Bewegungen der Frau in Richtung des Hauses ließen von einer gewissen Unsicherheit zeugen - beinahe wie typisch für einen Fremden, der nicht wusste, wohin er musste und sich nicht orientieren konnte.
„Haben Sie sich verfahren?“, fuhr sie schließlich sogleich fort. Selten dieser Tage, aber durchaus nicht ungewöhnlich, wenn der Navi-Computer gerade wieder einmal nicht mehr funktionierte oder falsche Daten anzeigte. Ihre Hand deutete mit zwei Fingern in Richtung des Horizonts. „In die Stadt geht es dort lang, hier links einfach dem Weg nach, dann kommen Sie auf die Schnellstraße.“
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