#34
"Und dann hat dieser stinkende, grunzende Gamorreaner doch tatsächlich versucht mich über den Tisch zu ziehen! Mich! Kannst du dir das vorstellen?" Schnauabend warf sie den Kopf in den Nacken und drehte sich in ihrem Pilotensessel so weit zur Seite, dass sie ihre Füße auf dem Sitz des leeren Co-Piloten Sessels ablegen konnte. Am anderen Ende der Verbindung lachte Areyn, was dazu führte, dass Rias Augenbraue ein Stück nach oben ruckte. "Lachst du mich gerade aus? Du hast wohl vergessen, dass..."
"Nein, ich lache dich nicht aus. Würde ich niemals wagen. Ich kann mir nur denken, dass er diesen Versuch bereut hat, was?"
"Darauf kannst du deinen nächsten Gewinn verwetten. Dieser Stinker quiekt jetzt ein paar Tonlagen höher... wenn du verstehst, was ich meine. Und ich wage zu bezweifeln, dass er noch einmal versuchen wird eine derartige Nummer abzuziehen. Er war wohl der Meinung, ich wäre ein leichtes Opfer für seine Betrügerei, nur weil ich eine Frau bin." Sie schnaubte verächtlich und warf dabei nur flüchtig einen Blick auf die Anzeige des Autopiloten, der allerdings nach dem letzten Ausfall einige Tage zuvor wieder normal zu funktionieren schien. Nun der Transporter war eben auch nicht mehr der jüngste.
"Dennoch hast du jetzt ein unerledigtes Geschäft auf der Liste und das macht sich nicht besonders gut in deiner Statistik."
Ria hörte ihn ganz genau. Diesen neckenden Unterton in der Stimme ihres Bruders und sie wusste, dass er dabei wohl schelmisch vor sich hin grinsend in seinem Sessel saß. Immerhin hatte sie ihn oft genug in dieser Pose erlebt.
"Keine Sorge. Ich werde die Ware schon los. Nur eben nicht an denjenigen, der sie hätte bekommen sollen. Woher die Credits am Ende des Tages kommen, ist schließlich egal, nicht wahr? Das hast du selbst immer gesagt."
"Aber du sollst deine Kunden dabei nicht verprellen."
"Mach ich ja gar nicht. Ich lass mich nur nicht verarschen. Und von SO einem schon gar nicht. Außerdem musst du dich gar nicht beschweren, denn immerhin hatte ich den besten Lehrmeister der ganzen Galaxis, nicht wahr?"
"Wenn ich gewusst hätte, dass du den Spruch irgendwann gegen mich verwendest, hätte ich ihn niemals ausgesprochen."
"Tja, zu spät." Ria drehte sich leicht mit dem Sessel, ohne dabei ihre Füße vom Co-Piloten Sitz zu nehmen. Sie war sich bewusst, dass sie im Grunde sehr jung war, um alleine in ihren Kreisen zu agieren, aber sie hatte tatsächlich - und das glaubte sie wirklich - den bestmöglichen Lehrmeister gehabt. Sie bewunderte ihren Bruder, auch wenn sie ihm das niemals derartig deutlich sagen würde, aber sie war sich sicher, dass er es dennoch wusste - tief in seinem Inneren.
"Tu mir einfach nur den Gefallen und pass auf, dass du nicht irgendwann an den Falschen gerätst. Dafür hast du ja schon immer ein ausgeprägtes Talent besessen. Apropos... was macht deine letzte falsche Wahl?"
Ria verdrehte die Augen. War ja klar, dass Areyn früher oder später damit anfangen würde, weil er es einfach immer tat.
"Keine Ahnung," antwortete sie schulterzuckend und sprach dabei sogar die Wahrheit. Sie wusste es nicht. Und sie wollte es auch gar nicht wissen. Oder... vielleicht doch. Aber nicht wirklich. Doch. Im Grunde schon. Und wenn es nur dafür war, um sich dann aufregen zu können.
"Na gut. Wenn irgendetwas ist, du weißt wie du mich erreichen kannst."
Ria nickte schweigend, bevor ihr in der nächsten Sekunde bewusst wurde, dass Areyn sie ja gar nicht sehen konnte. "Ich weiß. Keine Sorge. Ich kann ganz gut auf mich selbst aufpassen."
"In Ordnung. Sehen wir uns, wie verabredet, in zwei Wochen?"
"Sicher. Ich muss mir schließlich den Gewinn unserer Wette bei dir abholen." Sie hörte sein Seufzen und grinste. Womöglich hatte er wohl gehofft, sie hätte es in der Zwischenzeit vergessen, aber etwas derartiges vergaß sie nicht. Nicht wenn jemand ihr Geld oder einen Gefallen schuldete und schon gar nicht, wenn eine gewonnene Wette mit ihrem Bruder der Hintergrund war.
"Bis dann. Pass auf dich auf, Kleine."
"Ich bin nicht..." begann sie empört mit einer Antwort, bevor sie realisierte, dass Areyn die Verbindung bereits beendet hatte.

Mit aufgeplusterten Wangen verschränkte sie die Arme vor der Brust, bevor sie die Luft entweichen ließ und sich wieder den Anzeigen der Geräte widmete. Unter den jetzigen Bedinungen würde sie noch einige Stunden brauchen, bis sie Balmorra erreichen würde, wo sie schnell etwas abholen sollte. Vielleicht sollte sie diese Zeit nutzen, um das Chaos im Lieferraum zu beseitigen? Oder sie konnte ein klein wenig Schlaf nachholen. Oder sich Gedanken darüber machen, welche Reparaturen als nächstes anstanden und deren Kosten einmal durchkalkulieren, bevor es am Ende das böse Erwachen gab. Oder sie konnte...
Eine eintreffende Nachricht unterbrach sie in ihren Überlegungen und ließ sie schwerfällig durchatmen. An manchen Tagen, artete ihr Job wirklich in Stress aus. Was war denn nun schon wieder? Die wenige Begeisterung über die eintreffende Störung, schwang augenblicklich in etwas anderes um, kaum dass sie die Stimme vernahm, die durchkam. Wut. Ja, sie war wütend. Verdammt wütend sogar. Und die Art der Nachricht machte es nicht unbedingt besser. Oh sie wollte.... sie wollte....

"Du hast echt Mut, dich jetzt - und SO - zu melden. Und mach dir keine falschen Hoffnungen, die Bezeichnung eines Gundark ist noch viel zu gut für dich." Sie hatte seine Nachricht ignorieren wollen, hatte ihn genauso im Regen stehenlassen wollen, wie er es so perfekt konnte, aber selbst zum ignorieren war sie zu wütend auf ihn. Und verletzt. "Ich sollte dich einfach eiskalt auflaufen lassen, denn nichts anderes hast du verdient und das weißt du hoffentlich. Und es ist eine bodenlose Frechheit, dass du jetzt ankommst und um Hilfe bittest. Andererseits..." sie schwieg einen Moment und legte nachdenklich den Kopf schief, bevor sie fortfuhr, "zeugt es vielleicht von wahrer Verzweiflung, dass du dich ausgerechnet bei MIR meldest, nachdem du einfach - mal wieder - verschwunden bist. Es ist immer das selbe. Immer. Aber eines sage ich dir: das ist das letzte Mal. Das letzte Mal!" Egal für was. Aber das schlimme war, dass sie ihn einfach nicht hängen lassen konnte. Nicht so. Nicht wenn er wirklich derart tief in der Scheiße steckte, wie er es sagte. Wahrscheinlich würde sie ihn noch nicht einmal dann wirklich hängen lassen können, wenn er nur halb so tief drinsteckte, auch wenn sie sich innerlich dafür schon wieder verfluchte. Sie seufzte schwer und schwieg einen Moment, in dem sie überlegte, was jetzt wohl die richtige Reaktion wäre, obwohl es hier wohl keine richtige Reaktion gab. "Also... was hast du getan und wo steckst du?" Sie würde es bereuen, das wusste sie. Aber hier ging es auch ein wenig um Ehre. Und gegenseitigem Vertrauen und dass er sich in einer Notsituation - wie auch immer diese tatsächlich aussehen mochte - ausgerechnet an sie wendete, zeugte doch davon, dass zumindest dieses zwischen ihnen vorhanden war. Wenn auch nur auf einer beruflichen Ebene, aber alles andere spielte in diesem Augenblick wohl auch eher eine untergeordnetere Rolle. Aber um zu wissen, ob und wie sie ihm helfen konnte, musste sie zuerst einmal wissen, worum es überhaupt ging und ob er, beziehungsweise die Legacy, auch nur ansatzweise in ihrer Reichweite war.
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