#33
„Wäre es dir lieber, ich würde dir die Sterne vom Himmel lügen?“, entgegnete Gavin mit leicht fragendem Blick. „Dir irgendeine Geschichte auftischen, die in keinster Weise der Wahrheit entspricht? Ich meine, was hättest du davon, außer dass du die Situation weniger ernsthaft betrachten würdest, als sie betrachtet werden sollte.“ Gavin sah Tal'ana noch immer mit fragendem Blick an. Sicherlich gab es Situationen, in denen eine etwas geschönigte Geschichte sicherlich von Vorteil war, aber in diesem Fall sah er es eher als Nachteil. Je bewusster jedem die Lage war, in der sie sich gerade befanden, desto geringer das Risiko, dass jemand eine vorschnelle Entscheidung traf. Hier ging es immerhin gerade um ihrer aller Überleben und solche Sachen gehörten garantiert nicht schön geredet. Wenn es jemand unbedingt schön reden wollte, dann sollte er es tun, aber er würde es nicht. Er hatte noch nie viel davon gehalten irgendwelche Geschichten zu erfinden, außer es hatte sein müssen und das musste es, zugegeben, sehr häufig in seinem Leben sein. Allerdings waren das stets irgendwelche Jobs gewesen, denen er nachgegangen war und bei denen die Wahrheit mehr als nur kontraproduktiv gewesen wäre. Da hatte man tief in die Trickkiste greifen müssen oder eben so einige Sterne vom Himmel holen. Aber das hier war keiner dieser Jobs, also blieb er bei der Wahrheit.

„Weißt du, es gibt da draußen“, mit der Hand deutete er irgendwo in Richtung freien Raum. „Genug Personen, die dir erzählen, was du nicht alles sein kannst und was du nicht alles werden kannst. Die dir Hoffnungen in deinen Kopf pflanzen und dir deine glorreiche Zukunft in den buntesten Farben schildern, obwohl sie genau wissen, dass es nie so kommen wird. Du glaubst daran und dann, wenn es nicht so kommt, bist du enttäuscht und fragst dich, warum du so viel Zeit damit vergeudest hast, etwas hinterher zu laufen, das du niemals erreichen wirst. Zeit, die du in so viele andere Dinge hättest investieren können. Dinge, die dir mehr gebracht hätten, als einer Utopie hinterher zu jagen.“ Gavin setzte sich langsam in Bewegung, denn ihm war gerade eine Idee gekommen. Nicht gerade eine gute Idee, aber die Einzige, die ihm in diesem Moment überhaupt gekommen war. „Ich meine, es ist doch dein Leben und du willst doch dein Leben leben und nicht irgendein knallbuntes Phantasiegebilde eines anderen. Aber dafür muss man lernen die Dinge zu nehmen wie sie sind, egal wie ungern man sie auch hören mag. Man kann nur mit den Dingen arbeiten, die man sicher kennt. Nicht mit Möglichkeiten oder Eventualitäten.“ Er hatte diese Lektion schon als Kind lernen müssen, so hatte sein Vater ihm nie die Chance gelassen, auch nur einen Gedanken an etwas anderes, als die Fakten zu verschwenden. Keine einfache Kindheit, aber eine lehrreiche und eine, die ihm jetzt als Erwachsener mehr als nur sehr gut zu Gute kam. Vermutlich hätte er kein Jahr überlebt, wenn er nicht durch die harte Schule seines Vaters gegangen wäre. Wenn sein Vater ihn nicht immer wieder auf den Boden der trockenen Fakten zurückgeholt hätte, sondern zugelassen hätte, dass er mit seinem Kopf zwischen den Sternen hing.

„Sie stehen schlechter als erwartet, aber besser als befürchtet“, beantwortete Gavin ihre Frage, indem er sie eigentlich überhaupt gar nicht beantwortete. Aber er würde niemals alle Karten auf den Tisch legen, außer er würde damit gewinnen. Hier war es zwar kein Spiel, aber Spielerverhalten legte man eben nicht ab. „Jedenfalls was die Chancen der Legacy angeht. Und was die Planeten angeht – um ehrlich zu sein – ich habe keine Ahnung wo wir uns aktuell befinden.“ Und das war nicht einmal gelogen. Er hatte die Legacy aus dem Hyperraum fallen lassen und sich direkt wieder an die Reparaturen begeben. Sie hatten die höhere Priorität erhalten, denn was half es einem zu wissen, wo man sich gerade befand, wenn einem das halbe Schiff um die Ohren flog? „Ich kann dir nur sagen, dass wir uns irgendwo zwischen Corellia und Kessel befinden, wenn dir das hilft.“ Jetzt, wo das meiste notdürftig geflickt war, hatte er die Ruhe heraus zu finden, wo exakt sie sich auf dieser Strecke befanden und welche Planeten in der Nähe waren, die sich dafür eigneten, das Schiff zu landen und zu reparieren. Sicher war zwar, dass der Huttenraum ziemlich nahe sein musste, aber das war nicht gerade ein Eck, in dem man sich blicken lassen sollte. Man konnte ja nicht gerade behaupten, dass die Hutten auf seinen Boss besonders gut zu sprechen waren.

Sie hatten mittlerweile den Navigationsbereich vor dem Cockpit erreicht und Gavin richtete seinen Blick auf Jace.
„Kannst du eine Nachricht an sie übermitteln?“
„Ich halte das für keine gute Idee.“
„Danach hab ich nicht gefragt. Also Ja oder Nein?“
„Wenn ich die Nachricht über das HQ tunnel, dann sollte ich das hinbekommen“, antwortete Jace mit zweifelndem Blick. „Aber warum ausgerechnet sie? Solltest du nicht besser ihm eine Nachricht schicken?“
„Jace, ich halte das auch für keine gute Idee, aber es ist die Einzige, die ich gerade habe“, antwortete Gavin mit einem Seufzen und ließ sich neben Jace auf den Stuhl sinken. „Er wird uns wohl kaum einen Schlepper schicken und uns nach Hause holen, wenn ich ihm erzähle, dass wir auf Corellia dem Imperium eine wichtige Fracht unterm Arsch weg geklaut haben, uns eine Schlacht mit einem Schwarm TIE's geliefert haben und der Captain eines Sternzerstörers uns seine Degradierung zu verdanken hat.“ Gavin drehte den Stuhl so, dass er seine Beine auf das kleine Geländer legen konnte, welches den Bereich hüfthoch umgab. „Er wird vielleicht an den einen oder anderen Fäden ziehen, seine Reputation in die Waagschale werfen und uns damit die eine oder andere Gestalt vom Hals halten, aber ich bezweifle, dass er seine Finger tiefer in die Angelegenheit steckt. Du kennst ihn doch genau so gut wie ich. Wir haben uns die Suppe eingebrockt und deswegen müssen wir sie auch selbst wieder auslöffeln.“ Nachdenklich fuhr sich Gavin mit der Hand über den Kopf. Nein, ihm gefiel die Idee wirklich nicht, aber er war gerade auch nicht unbedingt in einer Situation, in der er viel Auswahl hatte. Er vertraute ihr, auch wenn ihr Verhältnis durchaus durchwachsen war und Vertrauen war in dieser Lage einfach eine unabdingbare Notwendigkeit. „Wir können auch keinen Raumhafen ansteuern und das Schiff zur Reparatur in die Werft geben, solange wir das Ding im Frachtraum liegen haben und nach ihr“, mit dem Kopf deutete Gavin in Tal'anas Richtung. „Auf sämtlichen imperialen Kanälen gefahndet wird. Du kennst die Leute deren Lieblingskanal das ist.“ Sicherlich waren seit ihrem Abflug von Corellia nicht mehr als 3 Stunden vergangen, aber die Fahndung nach der Twilek lief ja bereits, als sie sie noch auf dem Planeten gewesen waren. Genug Zeit also für einen Kopfgeldjäger Wind von der Sache zu bekommen.
„Und wenn du ihm nicht alles erzählst?“, fragte Jace und ernte dafür allerdings erst einmal nur ein zweifelnden Blick von Gavin.
„Was schätzt du“, meinte er und drehte grinsend seinen Kopf zu Jace. „Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass er in dem Moment, in den wir in den Hyperraum gesprungen sind, schon von der Sache wusste?“
„Ok ok“, seufzte Jace und verzog das Gesicht. „Ich setz mich schon dran, aber es kann einen Moment dauern.“
„Ich renne dir nicht weg“, grinste Gavin und sah wieder zu Tal'ana, die keine Ahnung hatte, von wem Jace und er gerade gesprochen hatten. Nun eine Person würde sie, sofern es funktionierte, ja kennenlernen, doch was die andere Person anging, da war es besser sie erfuhr nicht, um wen es sich handelte.

Aber ganz offenbar hatte Tal'ana kein Interesse daran etwas zu sagen, doch bevor Gavin auch nur ein Wort in ihre Richtung sagen konnte, meldete Jace auch schon, dass die Leitung stand. Gavin war zugegeben ein wenig überrascht, wie schnell auf einmal alles gegangen war, andererseits arbeitete e auch nur mit den Besten zusammen. Mit einer Hand griff er nach dem Kom und überlegte für einen kurzen Moment, wie die ganze Angelegenheit am sinnvollsten anging.
„Hier ist der egoistische, corellianische Bastard mit dem Einfühlungsvermögen eines thyfferianischen Gundarks“, fing er die Nachricht an ohne auch nur für einen winzigen Moment das Gesicht zu verziehen. „Der sich letztens, wie immer eigentlich, wortlos verpisst hat, um dieser – du weißt schon welcher – Diskussion aus dem Weg zu gehen und mich würde es nicht wundern, wenn du die Nachricht an dieser Stelle schon beendest. Glaube mir, hätte ich eine andere Wahl, hätte ich mich bei dir gewiss nicht gemeldet.“ Aus den Augenwinkel heraus nahm er Jace wahr, der ihn mit großen Augen ansah und den Kopf schüttelte. „Ok, hat sich jetzt reichlich falsch angehört und deswegen lasse es mich erklären, bevor du es in den falschen Hals bekommst“, setzte Gavin seinen Monolog mit einem Seufzen fort. „Ich stecke in der Scheiße, dieses Mal wohl so richtig tief und ich bin wohl bald der begehrteste Mann in der Galaxis. Jeder will mich haben und nebenbei eine Menge Credits damit verdienen. Ich will dich da eigentlich absolut nicht mit reinziehen und ich kann verstehen, wenn du die Nachricht direkt löschst“, brach Gavin erneut mit einem Seufzen ab. Sich bei ihr zu melden und um Hilfe zu bitten, fühlte sich einfach nicht richtig an. Er konnte sich nicht einmal erklären warum. „Die Legacy hat einiges abbekommen und benötigt dringend das eine oder andere Ersatzteil, aber ich kann aus Gründen, die ich dir hier nicht sagen kann, keinen Raumhafen anfliegen. Wenn ich es tue, dann ist alles vorbei“, sprach Gavin weiter und fuhr sich mit der Hand kurz über das Gesicht. „Wenn du uns helfen willst, dann wäre ich dir dankbar und wenn du dich dagegen entscheidest, dann kann ich es verstehen.“ Gavin legte das Kom auf den Schoß und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Jetzt blieb ihnen nichts anderes übrig als zu warten, ob sie reagieren würde oder nicht.
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