#4
„Vertrauen“, wiederholte Nashira nur ein einziges Wort von denen, die Abyssos hatte fallen lassen und der Tonfall, in welchem das Wort über ihre Lippen gekommen war, hatte beinahe sanft und verständnisvoll geklungen. Doch das eisige Auflachen, welches direkt danach erfolgte, machte deutlich wie viel sie in Wirklichkeit von diesem Wort hielt und wohl ganz besonders aus seinem Mund. „Besonders ihr Abyssos solltet doch wissen, dass es in unserer Welt kein Vertrauen gibt“, sprach sie weiter und richtete ihren Blick direkt auf ihn. Der Mann der vor ihr stand war arrogant und diese Arroganz konnte man ihm ansehen, anhören und man konnte sie spüren ohne dass man sich dafür groß bemühen musste. Sie drang ihm aus allen Poren und sie würde eines Tages sein Untergang sein. Er wusste es nur noch nicht. „In dieser Welt gibt nur es Nutzen“, fuhr sie fort und nun war sie es, welche Abyssos mit langsamen Schritten umrundete, ohne dabei ihren Blick von ihm zu nehmen. Wieder zierte ein Lächeln auf ihren Lippen, welches ihr Gesicht zu diesem Zeitpunkt beinahe schon weich wirken ließ und nicht zu der Rolle passen wollte, die sie in dieser Organisation einnahm. Doch ihr Gesicht konnte nicht über ihre Bewegungen hinwegtäuschen, die mehr dem eines Raubtieres glich, welches sein Opfer umkreiste. Nashira blieb stehen und jegliche Weichheit war aus ihrem Gesicht verschwunden. „Und du bist mir nicht von Nutzen.“ Der kühle Ausdruck in ihren Augen war gewichen und nun lag darin einfach nur noch Abscheu. Abscheu die sie für den Mann empfand, der vor ihr stand und behauptet hatte, ihm vertrauen zu können. Der sich aufgespielt hatte, als wäre er ein Freund, doch Freunde hatte man in diesen Kreisen nicht. Hier zählte Loyalität und diese hatte er eben so wenig zu bieten.

„Du wagst es dich vor mich zu stellen, von Vertrauen und Loyalität zu sprechen und zugleich stellst du die Vorgehensweise des Imperators in Frage.“ Ihre Worte waren hart und ihre Stimme leise gewesen. Ein durchaus gefährliches Leise und wenn er es als Drohung empfand, dann empfand er zumindest dieses Mal richtig. „Zweifelst an seiner Urteilskraft und seiner Vision die Welt in unsere Hände zu legen“, sprach sie weiter ohne dabei Abyssos auch nur ein einziges Mal aus den Augen zu verlieren. „Ich bin mir sicher, der Imperator wird dich gewiss von deinen Zweifel erlösen, wenn er von ihnen erfährt.“ Wieder lag dieses sanfte und beinahe schon fürsorgliche Lächeln auf ihren Lippen, was in einem größeren Widerspruch zu der Zukunft, welche sie Abyssos gerade vorhergesagt hatte, nicht hätte stehen können. Sie war, wer sie war und ihre Aufgaben umfassten so vieles mehr, als das, was andere zu glauben dachten. Die Anhänger der Dunklen Seite konnten sich Schwachstellen in den eigenen Reihen nicht leisten und schon gar nicht Personen, welche in sich das Potential bargen zu Verräter zu werden.

Nashira wandte sich von Abyssos ab und für ein paar Schritte wirkte es so, als würde sie ihn einfach stehen lassen wollen, doch dann stoppten ihre Schritte und sie drehte sich wieder zu ihm herum. „Du hast die Frechheit besessen, dich mit mir auf eine Stufe zu stellen“, kam es über ihre Lippen und nun hatte ihre Stimme eindeutig und unverkennbar einen drohenden Tonfall angenommen. „Du hast dir angemaßt mit mir auf Augenhöhe zu sein“, sprach sie weiter und in ihren Augen trat ein gefährliches Funkeln. „Es wird Zeit, dass ich dich daran erinnere, wo dein Platz ist.“ Die Luft in dem Flur schien schwerer zu werden und Zeit und Raum an Bedeutung zu verlieren. Ein Kribbeln auf der Haut, wie vor einem Sturm der drohte sich zu entladen. Doch genau so schnell wie alles gekommen war, verschwand es auch wieder und alles kehrte zurück zur Normalität. Ein trauriges Lächeln huschte über Nashiras Lippen, die für einen kurzen Moment mit ihren Gedanken woanders gewesen zu sein schien und sich nun wieder auf Abyssos konzentrierte. „Der Imperator erwünscht meine Anwesenheit“, meinte Nashira, drehte Abyssos den Rücken zu und begann sich ruhigen Schrittes von ihm zu entfernen. „Ich werde dir deinen Platz zeigen.“ Ein leises Lachen erfüllte den Flur und schien dabei aus allen Richtungen und doch aus keiner zu kommen und zwischen das Lachen mischte sich ein einzelnes „Vertrau mir“.
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